Rz. 320

Art. 213 bis 273 MwStSystRL enthalten eine ansatzweise Harmonisierung des Verfahrensrechts zur USt. Die Vorschriften regeln im Wesentlichen die Anzeige der Aufnahme, des Wechsels und der Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit, die Zuteilung von MwSt-Identifikationsnummern, die Erteilung von Rechnungen mit spezifischen Angaben, die elektronische Übermittlung von Rechnungen, die Aufbewahrung von Rechnungen, die Führung von Aufzeichnungen, die Abgabe von Steuererklärungen für laufende Besteuerungszeiträume, die Abgabe einer Jahressteuererklärung, die Abgabe Zusammenfassender Meldungen, und auch die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, weitere Pflichten vorzusehen, um die Steuererhebung zu sichern und Steuerhinterziehungen zu vermeiden. Mangels einer unionsrechtlichen Regelung bestimmen sich die Methode und die Regeln für die Rundung eines angemeldeten Steuerbetrags innerhalb der Grenzen des Unionsrechts nach der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten. Wird eine bestimmte Rundungsmethode durch die Mitgliedstaaten eingeführt oder zugelassen, müssen sie darauf achten, dass insbesondere die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Proportionalität eingehalten werden.[1] Zur Zulässigkeit einer "Strafsteuer" bei unzutreffender Steuererklärung (z. B. wie in Polen zusätzliche Steuerschuld i. H. v. 30 % des Betrags eines zu Unrecht erklärten Vorsteuerabzugs) hat der EuGH entschieden, dass eine solche "Strafsteuer" in Wirklichkeit keine Steuer darstellt. Der Grundsatz des gemeinsamen MwSt-Systems hindert die Mitgliedstaaten nicht, solche Sanktionen zu verhängen. Vielmehr sieht der EuGH in Art. 273 Unterabs. 1 MwStSystRL eine tragfähige Rechtsgrundlage.[2]

Es ist nach der MwStSystRL unzulässig, wenn einem Unternehmer das Recht auf Vorsteuerabzug mit der Begründung verwehrt wird, dass der Unternehmer, der die Rechnung ausgestellt hat, von der Finanzbehörde für inaktiv erklärt wurde, wobei diese Erklärung der Inaktivität öffentlich und im Internet für jeden Steuerpflichtigen dieses Staates zugänglich ist, und die Verweigerung des Vorsteuerabzugsrechts systematisch und endgültig erfolgt und nicht den Nachweis zulässt, dass keine Steuerhinterziehung bzw. kein Steuerausfall vorliegt. Die Unmöglichkeit für den Unternehmer, den Nachweis zu führen, dass die mit dem für inaktiv erklärten Unternehmer abgeschlossenen Geschäfte den Regelungen der MwStSystRL entsprechen, und insbesondere, dass dieser Unternehmer die in der Rechnung ausgewiesene MwSt abgeführt hat, geht über das hinaus, was für die Erreichung des von der MwStSystRL in Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL verfolgten legitimen Ziels erforderlich ist.[3]

 

Rz. 321

Art. 50 der EU-Grundrechtecharta steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der eine Person, die die geschuldete MwSt nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen abgeführt hat, in einem Strafverfahren verfolgt werden kann, obwohl sie wegen derselben Tat bereits mit einer bestandskräftigen Verwaltungssanktion strafrechtlicher Natur i. S. v. Art. 50 der EU-Grundrechtecharta belegt wurde, sofern diese Regelung

  • eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung hat, die eine solche Kumulierung von Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen rechtfertigen kann, nämlich die Bekämpfung von Mehrwertsteuerstraftaten, wobei mit den Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen komplementäre Zwecke verfolgt werden müssen,
  • Regeln zur Gewährleistung einer Koordinierung enthält, mit der die zusätzliche Belastung, die sich für die Betroffenen aus einer Kumulierung von Verfahren ergibt, auf das zwingend Erforderliche beschränkt wird, und
  • Regeln vorsieht, mit denen sichergestellt werden kann, dass die Schwere aller verhängten Sanktionen auf das im Verhältnis zur Schwere der betreffenden Straftat zwingend Erforderliche beschränkt wird.[4] Den Mitgliedstaaten steht es zwar frei, einem Steuerpflichtigen die nach Art. 214 MwStSystRL vorgesehene Zuteilung einer individuellen MwSt-Identifikationsnummer zu versagen, doch kann von dieser Möglichkeit nicht ohne berechtigten Grund Gebrauch gemacht werden.[5]
 

Rz. 322

Die in Art. 214 MwStSystRL vorgesehene MwSt-Identifikation sowie die in Art. 213 MwStSystRL vorgesehene Pflicht des Unternehmers, die Aufnahme, den Wechsel und die Beendigung seiner Tätigkeit anzuzeigen, stellen nur Kontrollzwecken dienende Formerfordernisse dar, die namentlich das Vorsteuerabzugsrecht nicht infrage stellen dürfen, sofern die materiellen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Die die Ahndung der Nichtbefolgung der Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten durch den Unternehmer mit der Versagung des Vorsteuerabzugs geht über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels, die ordnungsgemäße Befolgung dieser Verpflichtungen sicherzustellen, erforderlich ist, da das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, gegebenenfalls eine Geldbuße oder eine finanzielle Sanktion zu verhängen, die in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes steht.[6]

 

Rz. 323

Folgende Angaben sind obligatorisch in die Rechnung aufzunehmen:[7]

  • Ausstellungsdat...

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