Rz. 36

Bei dem (aufgrund der letzten Ratifikation am 13.11.2009) erst am 1.12.2009 in Kraft getretenen "Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der EG" v. 13.12.2007[1] handelt es sich um einen sog. Mantelvertrag mit Artikelgesetzen, der bereits existierende Verträge veränderte (die Verträge nicht ersetzte). Mit dem Vertrag wurde der EG-Vertrag geändert, der seither zweigeteilt ist und als Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag – EUV) sowie als Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bezeichnet wird. Mit dem Vertrag wurden die Institutionen EU und EG zu einer Organisation, der Europäischen Union (EU) zusammengeführt. Mit dem Vertrag erhielt die EU erstmals eine Rechtspersönlichkeit (Art. 47 EUV). Neben dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Europäischen Kommission, dem Gerichtshof der Europäischen Union und dem Rechnungshof, wurden in Art. 13 EUV erstmals auch der Europäische Rat und die Europäische Zentralbank als Organe der Union bezeichnet.

Rz. 37 einstweilen frei

 

Rz. 38

Im Vertrag von Lissabon wurde das sog. Komitologieverfahren, das bis dahin durch den Ratsbeschluss 1999/468/EG v. 28.6.1999 geregelt wurde, mit den Art. 290 und 291 AEUV grundsätzlich geändert. An die Stelle der Komitologiebeschlüsse traten "delegierte Rechtsakte" (Art. 290 AEUV) und "Durchführungsrechtsakte" (Art. 291 AEUV). Damit wurde erstmals eine Unterscheidung zwischen der Ausübung legislativer Gewalt durch die EU-Kommission (delegierte Rechtsakte) sowie der Übertragung von reinen Durchführungsbefugnissen zum europaweit einheitlichen Vollzug des Unionsrechts (Durchführungsrechtsakte) vorgenommen. Die Befugnis dazu muss der Kommission von den Gesetzgebern Rat und Europäisches Parlament im jeweiligen Basisrechtsakt (z. B. Richtlinie) ausdrücklich übertragen und kann von den Gesetzgebern auch widerrufen werden. Das Verfahren zum Erlass von delegierten Rechtsakten ist in Art. 290 AEUV selbst abschließend geregelt. Art. 290 AEUV ermöglicht eine Befugnisübertragung für das Erlassen von delegierten Rechtsakten an die Kommission. Voraussetzung hierfür ist, dass der Kommission in einem Basisrechtsakt das Recht übertragen wird, Bestimmungen zur Ergänzung, Änderung oder Anpassung dieses Basisrechtsaktes an den technischen Fortschritt zu erlassen. Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und -dauer des delegierten Rechtsaktes werden im Basisrechtsakt ausdrücklich von Fall zu Fall festgelegt. Durch diese Flexibilisierung haben der Rat und das Europäische Parlament die Möglichkeit, die weitgehenden Gestaltungsmöglichkeiten der Kommission im Verfahren etwas einzuschränken. Die Regeln für den Erlass von Durchführungsrechtsakten nach Art. 291 AEUV sind gesondert in der Verordnung (EU) 182/2011[2] enthalten. Danach wurden die alten Komitologieverfahren (Beratungsverfahren, Verwaltungsverfahren und einfaches Regelungsverfahren gemäß Ratsbeschluss 1999/468/EG) vollständig ersetzt. Das Prüfverfahren soll u. a. angewandt werden zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen im Bereich der Steuern.[3] Ein Beispiel für einen Durchführungsrechtsakt der Kommission auf Basis von Art. 291 AEUV auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer ist die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 79/2012 v. 21.1.2012[4] zur Zusammenarbeitsverordnung.[5]

Rz. 39 einstweilen frei

[1] ABl. EU 2007 Nr. C 306.
[2] Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. EU 2011 Nr. L 55/13.
[3] Scharf, Das Komitologieverfahren nach dem Vertrag von Lissabon, Beiträge zum Transantionalen Wirtschaftsrecht, Heft 101, Institut für Wirtschaftsrecht, Halle (Saale).
[4] ABl. EU 2012 Nr. L 29/13 (Neufassung).
[5] Verordnung (EU) Nr. 904/2010 v. 7.10.2010, ABl. EU 2010 Nr. L 268/1 (Neufassung).

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