Rz. 111

Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt nur vor, wenn die gelieferten Gegenstände im übrigen Gemeinschaftsgebiet den Vorschriften über die Umsatzbesteuerung, nämlich der dortigen Erwerbsbesteuerung unterliegen. Der Abnehmer muss im anderen EU-Mitgliedstaat den Tatbestand eines innergemeinschaftlichen Erwerbs erfüllen. Ob ein Erwerbsvorgang der Besteuerung in einem anderen Mitgliedstaat unterliegt, richtet sich nach den dort jeweils geltenden Vorschriften.

Diese Regelung soll sicherstellen, dass die ohne Grenzkontrolle in einen anderen Mitgliedstaat gelangten Gegenstände dort umsatzsteuerlich erfasst werden. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung dient der Verlagerung des Steueraufkommens in den Mitgliedstaat des innergemeinschaftlichen Erwerbs und hat dabei insbesondere die Funktion, die Durchsetzung der Erwerbsbesteuerung sicherzustellen. So ist die Steuerfreiheit nicht allgemein, sondern nur erwerberbezogen und damit "ad personam" zu gewähren, wenn der Erwerb des gelieferten Gegenstandes nach § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. Damit setzt die Steuerfreiheit voraus, dass die innergemeinschaftliche Lieferung beim Erwerber die Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung[1] begründet. Die Regelung beruht auf Art. 139 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL, wonach die Steuerbefreiung nicht für die Lieferungen von Gegenständen an Steuerpflichtige gilt, deren innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen gem. Art. 3 Abs. 1 MwStSystRL nicht der Mehrwertsteuer unterliegen.[2] Unterliegt die Lieferung im Bestimmungsland nicht der Erwerbsbesteuerung, entfällt eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1b UStG mit der Folge (bei nicht zum Vorsteuerabzug Berechtigten), dass der Gegenstand mit der USt des Ursprungslands belastet bleibt. Eine Erwerbsbesteuerung in einem anderen Mitgliedstaat liegt nicht vor, wenn die Abnehmer nicht optierende Kleinunternehmer, Unternehmer mit ausschließlich steuerfreien, den Vorsteuerabzug ausschließenden Umsätzen, pauschalierende Land- und Forstwirte oder nicht optierende juristische Personen sind, und die Erwerbsschwelle nicht überschreiten. Für die Frage, ob der Abnehmer die maßgebliche Erwerbsschwelle im jeweiligen Mitgliedstaat überschreitet, muss sich der Unternehmer auf die Angaben des Abnehmers beziehen; sind diese Angaben unrichtig, kommt u. U. Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG in Betracht.

Vgl. die Beispiele in Abschn. 6a.1 Abs. 16 UStAE.

 

Rz. 112

Der Erwerber muss ein Steuerpflichtiger sein, und als solcher gehandelt haben[3], also nicht z. B. zur Kleinunternehmerbesteuerung optiert haben. Für die Steuerbefreiung ist dagegen nicht Voraussetzung, dass der Abnehmer die Erwerbsbesteuerung auch tatsächlich durchgeführt hat oder dass es zu einer Steuerfestsetzung kommt. Es genügt vielmehr, dass der Abnehmer im anderen Mitgliedstaat hinsichtlich des gelieferten Gegenstands der Umsatzbesteuerung unterliegt.[4] Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat steuerfrei ist oder einem Nullsatz (z. B. Wein[5]; Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug) unterliegt.[6] Der Lieferer kann von einer Erwerbsbesteuerung im Allgemeinen ausgehen, wenn nach dem deutschen UStG ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegen würde. Die EU-Richtlinie legt hierfür keine besonderen Voraussetzungen fest. Die Voraussetzung von § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG ist daher stets erfüllt, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland steuerbar ist, weil er damit der Besteuerung unterliegt. Auch für die Anwendung des Steuersatzes Null oder einer Steuerbefreiung im Bestimmungsstaat ist Voraussetzung, dass ein steuerbarer Umsatz vorliegt. Eine andere Auslegung der Richtlinie und § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG würde dazu führen, dass Unionswaren im Verhältnis sowohl zu inländischen Produkten als auch zu Drittlandswaren diskriminiert würden; denn Drittlands- und einheimische Waren wären im Gegensatz zu Unionswaren, die mit der USt ihres Herkunftslands belastet blieben, von jeglicher Umsatzsteuerbelastung ausgenommen.

 

Rz. 113

Der innergemeinschaftliche Erwerb neuer Fahrzeuge unterliegt im Unionsgebiet ausnahmslos der Besteuerung.[7] Für die Erfüllung der Voraussetzung des § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG ist es nicht erforderlich, dass die Erwerbsbesteuerung auch belegt und nachgewiesen wird.[8] Die Vorschrift entspricht Art. 138 Abs. 2a MwStSystRL (vgl. jedoch Rz. 266ff., Rz. 308ff.).

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