Rz. 31

Handelt die jPöR auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (Rz. 27), setzt Steuerbarkeit nach § 2b Abs. 1 S. 2 UStG größere Wettbewerbsverzerrungen voraus. Dies wiederum ist nur denkbar, wenn bei der fraglichen Tätigkeit überhaupt Wettbewerb existiert. Die zweite maßgebliche Weichenstellung bei der Beurteilung der Steuerbarkeit von entgeltlichen Leistungen jPöR ist damit, sofern diese öffentlich-rechtlich handelt, die Feststellung des Vorliegens von Wettbewerb. Maßgebend dafür sind die von der Rechtsprechung zu Art. 13 MwStSystRL entwickelten Grundsätze. Der Wettbewerb muss daher nicht tatsächlich bestehen; schädlich ist bereits der potenzielle Wettbewerb, sofern er real und nicht rein hypothetisch ist. Eine rein theoretische, durch keine Tatsache, kein objektives Indiz und keine Marktanalyse untermauerte Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer, in den relevanten Markt einzutreten, reicht nicht.[1] Die Tätigkeit der jPöR muss damit lediglich marktrelevant sein, nicht aber tatsächlich in einem konkreten Konkurrenzverhältnis stehen.

Die Marktrelevanz ist folglich in erster Linie in Bezug auf die Tätigkeit als solche zu beurteilen.[2]

 

Rz. 32

Nachfrageseitig stehen Leistungen der Art nach zueinander im Wettbewerb, wenn sie aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers dieselben Bedürfnisse befriedigen.[3] Dies ist z. B. bei der Überlassung selbstständiger Parkplatzflächen durch jPöR der Fall, welche für den Nutzer denselben Zweck befriedigen, wie private Parkhäuser, Tiefgaragen oder Parkflächen, und daher mit diesen in einem relevanten Wettbewerbsverhältnis stehen.[4] Im Gegensatz dazu erfolgt die gebührenbasierte Verwaltung unselbstständiger Parkflächen im öffentlichen Straßenraum nichtsteuerbar, solange ordnungsrechtliche Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, da sie insofern nicht im Wettbewerb mit privaten Parkpatzanlagen stehen.[5]

 

Rz. 33

Angebotsseitig müssen die von der jPöR auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbrachten Leistungen ihrer Natur nach aber vergleichbar auch von Privaten angeboten werden können und dürfen. Es kommt zur Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs damit auch auf die rechtlichen Bedingungen an, unter denen die Tätigkeiten erbracht werden. Kein Wettbewerb und damit keine Marktrelevanz aus rechtlichen Gründen besteht damit insbesondere im Bereich originär hoheitlichen Handelns, da insoweit Private auch potenziell nicht tätig werden können (z.  B. gebührenpflichtige Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 AO, Ausstellung eines Reisepasses gegen Gebühr, Gerichtskosten im Zivilprozess). Auch für den Betrieb einer mautpflichtigen Straße durch eine öffentlich-rechtliche Einrichtung hat der EuGH eine konkrete Marktrelevanz verneint, sofern die öffentlich-rechtliche Einrichtung private Wirtschaftsteilnehmer am Markteintritt hindern kann.[6]

 

Rz. 34

Die an der Tätigkeit ausgerichtete Beurteilung der potenziellen Marktrelevanz erfolgt grundsätzlich unabhängig von einem lokalen Markt.[7] Allerdings kann es aufgrund besonderer räumlich beschränkter rechtlicher Rahmenbedingungen zu einer Beschränkung der Wettbewerbsbeurteilung auf einen räumlich relevanten Markt kommen. Insbesondere dann, wenn in einem räumlich abgegrenzten Gebiet für eine bestimmte Art der Leistung eine Marktzugangsbeschränkung besteht, etwa durch Annahme- und Benutzungszwang, muss sich die Wettbewerbsbetrachtung auf dieses Gebiet beschränken, z. B. bei der Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen (Milchquoten), die nur innerhalb bestimmter Übertragungsbereiche erlaubt ist.[8] Darf insoweit die entgeltliche Tätigkeit der jPöR nur von ihr und in öffentlich-rechtlicher Handlungsform ausgeübt werden, liegt kein steuerschädlicher Wettbewerb in diesem räumlich relevanten Markt vor, auch wenn in einem anderen Gebiet private Unternehmer vergleichbare Leistungen erbringen können. Entsprechendes gilt für von einer Landesärztekammer durchgeführte Qualitätssicherungsleistungen bei Krankenhäusern, sofern landesgesetzliche Vorgaben des entsprechenden Bundeslands eine Beauftragung privater Wirtschaftsteilnehmer nicht zulassen und für diese folglich keine reale Möglichkeit des Markteintritts besteht.[9]

 

Rz. 35

Liegt kein Annahme- oder Benutzungszwang vor, ist ein gebietsübergreifender Wettbewerb dagegen grundsätzlich nicht ausgeschlossen. So ist z. B. die Feuerbestattung in einigen Bundesländern der hoheitlichen Durchführung vorbehalten, in anderen dagegen auch privaten Unternehmern erlaubt, ohne dass es einen Zwang gibt, die jeweils örtliche Feuerbestattungseinrichtung in Anspruch zu nehmen. Das hat nach Verwaltungsauffassung einen gebietsübergreifenden Wettbewerb im gesamten Bundesgebiet und damit die Steuerbarkeit der öffentlich-rechtlichen Feuerbestattung zur Folge.[10] Fraglich ist allerdings, wo die räumlichen Grenzen einer solchen gebietsübergreifenden Betrachtung liegen. Denn eine Wettbewerbsrelevanz kann nur innerhalb einer Region bestehen, innerhalb der ein potenzieller Wettbewerb noch real und nicht mehr rein hypoth...

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