Rz. 143

§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sieht eine sinngemäße Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG über die Änderung der Bemessungsgrundlage für die Fälle vor, in denen das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Das bedeutet, dass der Unternehmer, der den Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist (Leistungsempfänger), den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen hat. Betroffen sind nach dem Wortlaut der Vorschrift die vereinbarten Entgelte im Rahmen der Sollversteuerung, da bei der Istversteuerung das Entgelt bereits vereinnahmt worden ist (§ 20 UStG) und die USt erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Vereinnahmung des Entgelts nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 b UStG entstanden ist. Allerdings soll nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden sein. Zu Ratenzahlungen für eine Leistung über einen längeren Zeitraum s. Rz. 28.

 

Rz. 143a

Das Unionsrecht enthält für die Annahme einer Uneinbringlichkeit in Art. 90 MwStSystRL einen Rahmen für ihre Regelungsbefugnis, der den Mitgliedstaaten erlaubt, die konkrete Auslegung zu wählen.[1] Der EuGH sieht die Regelung und die Handhabung der Uneinbringlichkeit im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Neutralität.[2] Dieser Grundsatz verpflichte die Mitgliedstaaten, die Mehrwertsteuer gleichmäßig zu erheben und für die Union ausreichende Eigenmittel sicherzustellen. Dies sei trotz der den Mitgliedstaaten für die jeweils nationale Regelung bestehenden Bandbreite stets zu beachten. Der Neutralitätsgrundsatz könne sogar der Behandlung von Mehrwertsteuer-Schulden als uneinbringlich ganz entgegenstehen. Für Fälle der Restschuldbefreiung im Insolvenzbereich nach italienischem Recht hat der EuGH[3] wegen der danach gebotenen engen Auslegung eine Anwendung der Regeln zur Uneinbringlichkeit nur für redliche, loyale und gutgläubige Schuldner für zulässig gehalten und sie von engen Anwendungsvoraussetzungen abhängig gemacht. Deshalb sei bei der Restschuldbefreiung insgesamt kein allgemeiner und undifferenzierter Verzicht auf die Mehrwertsteuer zulässig.

 

Rz. 144

Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG über die Fälle der Uneinbringlichkeit ist Ausfluss des Gedankens, dass für die Besteuerung und deren Umfang maßgebend ist, was der Leistungsempfänger tatsächlich aufgewendet hat.[4] Die Versteuerung und der Vorsteuerabzug werden zwar grundsätzlich nach dem Soll durchgeführt (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG i. V. m. § 16 Abs. 1 S. 1 UStG und § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG i. V. m. § 16 Abs. 2 S. 1 UStG). Grundlage für die Steuer ist das vereinbarte Entgelt, für den Vorsteuerabzug die in der Rechnung ausgewiesene, auf das vereinbarte Entgelt entfallende USt. Die gezahlte USt kann nur in den Sonderfällen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG zu Vorauszahlungen, Abschlagszahlungen u. Ä. abgezogen werden. Das ändert aber nichts daran, dass im Endergebnis doch das tatsächlich Aufgewendete als endgültige Bemessungsgrundlage maßgebend sein muss.[5] Stadie und D. Hummel setzen sich in diesem Zusammenhang eingehend mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Sollversteuerung im Rahmen der Endverbraucherbesteuerung durch die USt auseinander. Sie verneinen die Verfassungsmäßigkeit. Diese Auffassung wird vom BFH abgelehnt (Rz. 28).

 

Rz. 145

Bei einem Abweichen der tatsächlichen Aufwendungen vom Vereinbarten müssen Steuer und Vorsteuerabzug entsprechend angepasst werden. Steht die Abweichung auf irgendeine Weise für beide Seiten fest, so ist eine Änderung der Bemessungsgrundlage gegeben und § 17 Abs. 1 S. 1 UStG anzuwenden. Aber auch schon vorher, wenn die tatsächliche Vereinnahmung noch nicht endgültig feststeht, kann das vereinbarte Entgelt uneinbringlich sein.[6] Das gilt allerdings nicht, wenn der Gläubiger dem Schuldner vertraglich zusichert, dass er seine Forderungen nur noch im Umfang eines festgelegten Nachbesserungsfalls geltend macht.[7] In den Fällen der Uneinbringlichkeit ist (noch) keine Änderung der Bemessungsgrundlage gegeben.[8] Der zivilrechtliche Anspruch des Leistenden auf Preis und Entgelt besteht nämlich weiterhin, das vereinbarte Entgelt hat sich nicht geändert.[9] Dennoch ist mit großer Wahrscheinlichkeit abzusehen, dass die tatsächlichen Aufwendungen geringer als das vereinbarte Entgelt sein werden. Deswegen sollen Steuerschuld und Vorsteuerabzug angepasst werden, um einerseits die Steuerbelastung des Leistenden für ein wahrscheinlich nicht zu erhaltendes Entgelt zu beseitigen und andererseits dem wahrscheinlich das Entgelt nicht erbringenden Leistungsempfänger die ungerechtfertigte Bereicherung aus dem Vorsteuerabzug wieder abzunehmen. § 17 Abs. 1 S. 1 UStG ist nur sinngemäß, nicht unmittelbar anzuwenden, da das vereinbarte Entgelt sich noch nicht geändert hat.

[3] EuGH v. 16.3.2017, C-493/15, Identi, HFR 2017, 449.
[4] Rz. 13; Schwarz/...

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