Rz. 36

Dem Schutzzweck entsprechend ist § 119 Nr. 4 FGO weit auszulegen. Ein Mangel in der Vertretung liegt z. B. vor, wenn

  • der Beteiligte deshalb nicht zu Wort kommen konnte, weil er z. B. keinen gesetzlichen Vertreter hatte oder zu Unrecht als prozessfähig angesehen worden ist.[1] Das gilt auch für die Fälle mangelnder Prozessführungsbefugnis oder mangelnder Beteiligungsfähigkeit[2];
  • die Ladung lediglich dem vollmachtlosen Vertreter und aber dem Beteiligten als angeblich Vertretenen zugegangen ist[3];
  • für den Beteiligten ein Vertreter ohne Prozessvollmacht aufgetreten ist, es sei denn, er hat den Handlungen des Prozessvertreters eindeutig zugestimmt[4];
  • der Beteiligte einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat, dem die Postulationsfähigkeit fehlt[5];
  • ein Beteiligter oder sein bestellter Vertreter zu einer mündlichen Verhandlung nicht (wirksam) geladen wurde und deshalb nicht erschienen ist.[6] Wurde der Vertreter nicht geladen, wird der Verfahrensmangel durch die persönliche Teilnahme des Beteiligten nicht geheilt[7];
  • wenn die mündliche Verhandlung zu einem anderen Termin, als in der Ladung angegeben, durchgeführt wird[8] und deshalb der Beteiligte nicht bzw. niemand für ihn auftreten konnte;
  • ein zum Zeitpunkt der Ladung wirksam bestellter Prozessbevollmächtigter nicht ordnungsgemäß geladen wurde und deshalb zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist; der Vertretungsmangel wird durch die Teilnahme des Beteiligten selbst an der mündlichen Verhandlung nicht geheilt[9];
  • das FG zu Unrecht im schriftlichen Verfahren entschieden hat, z. B. weil es irrtümlich oder zu Unrecht einen Verzicht auf mündliche Verhandlung angenommen und unter Verstoß gegen § 90 Abs. 1, 2 durch Urteil entschieden hat[10], bzw. obwohl die Verzichtserklärung wirkungslos geworden ist[11]
  • das FG irrtümlich von einem 500 EUR nicht überschreitenden Streitwert ausgegangen ist[12];
  • das FG im Anwendungsbereich des Art. 3 § 5 VGFGEntlG[13] übersehen oder nicht erkannt hat, dass mündliche Verhandlung beantragt worden ist[14];
  • das FG einen anwesenden Prozessbevollmächtigten, weil es die Vollmacht fälschlich als unwirksam ansieht, übergeht, sodass in der mündlichen Verhandlung niemand für den Beteiligten auftritt[15];
  • das FG einen vertretungsberechtigten Vertreter des FA zurückweist, weil dieser seine Vertretungsbefugnis nicht durch eine spezielle Vollmacht nachweist. Ausreichend für das Auftreten eines Vertreters des FA ist der Nachweis durch Vorlage einer Urkunde, aus der hervorgeht, dass der Vorsteher des FA einem seiner Beamten für künftige Verfahren die Vertretung vor dem FG überträgt[16];
  • das FG dem Bevollmächtigten die unrichtige Auskunft gibt, der Termin zur mündlichen Verhandlung sei verlegt worden, und der Bevollmächtigte daher zum Termin nicht erscheint[17];
  • der Beteiligte prozessunfähig ist[18];
  • wenn das FG eine mündliche Verhandlung mit dem Kläger durchführt, obwohl am Tag der Verhandlung bereits das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet und ein Treuhänder bestimmt worden war. Damit ist der Schuldner nicht mehr zur Prozessführung befugt[19];
  • nur ein Beteiligter auf die mündliche Verhandlung verzichtet hat und das FG ohne eine solche entscheidet. Solange nicht auch der andere Beteiligte auf die mündliche Verhandlung verzichtet, braucht der Verzichtende nicht mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu rechnen.[20]
 

Rz. 37

Ein Fall mangelnder Vertretung liegt nicht vor, wenn

  • ein (geladener) Prozessbeteiligter oder Bevollmächtigter aus einem in seiner Person liegenden Grund nicht an der mündlichen Verhandlung teilnimmt[21], selbst wenn das Versäumen des Termins unverschuldet war, z. B. wegen Krankheit, wegen eines Verkehrsunfalls oder einer Reifenpanne auf dem Weg zum Termin; es fehlt dann an einem Verfahrensmangel des Gerichts[22];
  • ein Prozessbevollmächtigter deshalb unverschuldet an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat, weil die Ladung zur mündlichen Verhandlung zwar mangelhaft ist, der Beteiligte oder sein Prozessvertreter aber vor dem Termin von seiner Anberaumung nachweislich Kenntnis erlangt hat[23];
  • der Prozessbevollmächtigte die Vollmacht gem. § 62 Abs. 3 S. 1 nicht vorgelegt und das FG die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen hat;
  • ein Prozessbevollmächtigter vom FG nach § 62 Abs. 3 FGO zurückgewiesen wurde[24];
  • der Bevollmächtigte die Frist zur Vorlage der Prozessvollmacht[25] versäumt hat[26];
  • die Ladung nicht dem Prozessbevollmächtigten selbst, sondern einem Gehilfen nach § 183 Abs. 2 ZPO übergeben wird, z. B. einem Stationsreferendar[27];
  • der Beteiligte oder sein Bevollmächtigter nachweislich Kenntnis vom Termin erhalten hat[28];
  • der frühere Prozessbevollmächtigte nach seiner Ladung dem FG anzeigt, er habe das Mandat niedergelegt[29];
  • der Prozessbevollmächtigte als vollmachtloser Vertreter Klage erhoben hat, sofern sich aus dem Verhalten des Klägers mit aller Deutlichkeit ergibt, dass er der Klageerhebung zugestimmt hat. Lehnt das FG einen Vertagungsantrag ab und führt es die mündli...

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