Rz. 33

Ein Mangel in der Vertretung liegt vor, wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.[1] Von einer stillschweigenden Zustimmung zur Prozessführung ist auszugehen, wenn der Beteiligte den seiner Meinung nach bestehenden Mangel nicht spätestens in der Hauptverhandlung geltend macht.[2] Die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Beteiligte, dessen Rechte Gegenstand des Verfahrens sind, entweder selbst oder durch seinen berufenen Vertreter Gelegenheit hat, seinen Standpunkt darzulegen.[3]

Insoweit überschneidet sich die Regelung mit § 119 Nr. 3 FGO.[4] Die Vertretungsgarantie dient den Interessen des Beteiligten, die Stellung des Prozessvertreters wird nur mittelbar, soweit es der Schutz des Beteiligten erfordert, erfasst.[5]

 

Rz. 34

§ 119 Nr. 4 FGO ist grundsätzlich weit auszulegen. Die Regelung soll verhindern, dass einem Beteiligten die Wahrnehmung seiner Rechte im Verfahren unmöglich gemacht wird. Nr. 4 greift zum einen ein, wenn eine Partei aus tatsächlichen Gründen gehindert war, ihre Belange wahrzunehmen, z. B. wenn sie versehentlich zur mündlichen Verhandlung nicht geladen wurde oder infolge eines vom Gericht nicht beachteten gesetzlichen Parteiwechsels das falsche FA als Beteiligter angesehen wurde. Zum anderen umfasst Nr. 4 auch die Fälle der Prozessunfähigkeit[6], mangelnder Parteifähigkeit[7], mangelnder Prozessführungsbefugnis einer Partei.

Die Vorschrift betrifft nur den Fall, dass ein Beteiligter im Verfahren überhaupt nicht vertreten ist, d. h. keine Möglichkeit zur Darstellung seines Standpunkts hatte, nicht auch die unterbliebene Ausnutzung der gegebenen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten durch die Beteiligten oder ihre Vertreter.[8]

Voraussetzung ist eine dem Gericht zuzurechnende verfahrensrechtliche Beeinträchtigung[9], z. B. wenn ein Beteiligter oder sein Vertreter zur mündlichen Verhandlung nicht oder nicht ordnungsgemäß, d. h. unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften, geladen war und deshalb nicht aufgetreten ist bzw. nicht erscheinen konnte[10] oder wenn das FG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, obwohl die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht gegeben sind[11], bzw. obwohl nach § 94a S. 2 FGO ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt war[12], ebenso wenn das FG ohne den Kläger oder seinen Bevollmächtigten mündlich verhandelt, obwohl der Termin aufgehoben oder seine Verschiebung zugesagt war, oder wenn das FG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, weil es irrtümlich von einem wirksamen Verzicht ausgeht.[13] Darin liegt zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.[14]

 

Rz. 35

Ein Vertretungsmangel liegt daher nicht vor, wenn das FG vorschriftsmäßig verfahren ist und der Mangel der Vertretung in der Sphäre des Beteiligten oder seines Bevollmächtigten begründet ist, auch wenn kein Verschulden vorliegt.[15]

Hat der Beteiligte trotz ordnungsgemäßer Ladung davon keine Kenntnis erhalten und deshalb den Verhandlungstermin versäumt, liegt daher kein Vertretungsmangel vor.[16] Ebenso führt auch die – unzutreffende – Beanstandung einer Vollmacht durch das Gericht als fehlend nicht zu einer prozessordnungswidrigen Vertretung, wenn der für den Beteiligten Aufgetretene tatsächlich bevollmächtigt war[17] oder wenn für den Beteiligten ein Bevollmächtigter auftritt, der es lediglich versäumt, dem FG seine Vollmacht vorzulegen.[18] Ferner liegt kein Vertretungsmangel vor, wenn – auch ohne Verschulden – ein Beteiligter oder sein Prozessvertreter aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte, z. B. aufgrund eines Kanzleiversehens, eines Verkehrsunfalls oder einer Erkrankung.[19]

Die Dauer der Bevollmächtigung richtet sich nach § 155 FGO i. V. m. §§ 86, 87 ZPO. Eine wirksam erteilte Vollmacht wirkt nach § 87 Abs. 1 ZPO gegenüber dem FG so lange fort, bis das Erlöschen dem FG angezeigt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt können Prozesshandlungen, insbesondere Ladungen, wirksam (ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs) gegenüber dem bisherigen Bevollmächtigten vorgenommen werden.[20]

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