Rz. 72

Ein Abänderungsurteil kann nur ergehen, wenn ein Verwaltungsakt angefochten wurde, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft (sog. Geldverwaltungsakte). Ob das der Fall ist, bestimmt sich allein nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsakts, nicht etwa nach dem Klagebegehren. Für ein Abänderungsurteil kommen alle Verwaltungsakte infrage, in deren Tenor ein Geldbetrag festgesetzt wird, wie Steuerfestsetzungs- und Zollbescheide, InvZul- und Erstattungsbescheide oder Säumniszuschlags-, Zins- und Abrechnungsbescheide. Aber auch in Haftungs- und Zwangsgeldbescheiden oder in Bescheiden, mit denen Verspätungszuschläge erhoben werden, wird ein Geldbetrag festgesetzt, sodass auch diese grundsätzlich Geldverwaltungsakte sind. Der sonstige Inhalt der Bescheide ist unbeachtlich[1]. Allerdings ist nach dem Klagebegehren zu differenzieren, ob Verwaltungsakte angegriffen werden, bei deren Erlass die Behörde eine Ermessensentscheidung zu treffen hatte (ausführlich zur Änderung von Ermessensentscheidungen Rz. 74ff.).

 

Rz. 73

Eine auf einen Geldbetrag bezogene Feststellung treffen die Feststellungsbescheide gem. §§ 179ff. AO, soweit darin Geldbeträge festgestellt oder verteilt werden. Soweit in Feststellungsbescheiden Regelungen über die Qualifizierung von Einkünften oder die Beteiligung bestimmter Personen an ihnen enthalten sind, handelt es sich nicht um Geldverwaltungsakte. In solchen Punkten kann eine Änderung durch das Gericht nicht erreicht werden. Hier kann durch Urteil, einen entsprechenden Klageantrag vorausgesetzt, nur die Aufhebung oder die Verpflichtung der Behörde zum Erlass eines anderen Bescheids ausgesprochen werden.

 

Rz. 74

Ist der Behörde durch den Gesetzgeber auf der Rechtsfolgeseite einer Norm ein Ermessen eingeräumt worden, ergibt sich die konkrete Regelung für den Bürger nicht aus der Norm. Sie folgt vielmehr erst aus der Ermessensentscheidung der Behörde. Es sind daher regelmäßig trotz Vorliegens des gesetzlichen Tatbestands verschiedene Rechtsfolgen denkbar, die jeweils rechtmäßig sind. Welche davon eintreten soll, entscheidet allein die Behörde nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Da die gerichtliche Kontrolle von Behördenentscheidungen nur eine Rechtmäßigkeits-, keine Zweckmäßigkeitskontrolle darstellt, kann – wegen des Gewaltenteilungsgrundsatzes – das Gericht nicht seine Ermessens-(Zweckmäßigkeits-)entscheidungen an die Stelle der Behördenentscheidung setzen. Das Gericht ist bis auf den Ausnahmefall der Ermessensreduzierung auf Null darauf beschränkt, die Entscheidung der Behörde auf Ermessensfehler hin zu überprüfen[2].

 

Rz. 75

Z. B. kann gem. § 191 Abs. 1 AO i. V. m. § 71 AO die Behörde den Steuerhinterzieher für die verkürzten Steuern in Haftung nehmen. Erlässt die Behörde einen Haftungsbescheid, setzt sie darin auch einen Geldbetrag, nämlich den Haftungsbetrag, fest und versieht ihn mit einem Zahlungsgebot. Es handelt sich bei dem Haftungsbescheid um einen Geldverwaltungsakt (s. Rz. 72). In dem Bescheid wird aber nicht nur der Haftungsbetrag festgesetzt, sondern zugleich damit auch eine Ermessensentscheidung darüber getroffen, dass der Adressat in Haftung genommen werden und in welcher Höhe er haften soll. Wird der Haftungsbescheid angefochten, ist bezüglich des in Betracht kommenden Urteilstenors nach der hier vertretenen Auffassung (s. Rz. 72) danach zu differenzieren, was der Kläger mit seiner Klage begehrt.

 

Rz. 76

Greift der Kläger nur die Ermessensentscheidung als solche an, besteht aber über die Höhe der Haftungsschuld für den Fall, dass die Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden ist, kein Streit, ist das Gericht bei seiner Entscheidung auf die Überprüfung von Ermessensfehlern nach § 102 FGO beschränkt, sodass bei Ermessensfehlern nur eine Aufhebung des Bescheids, nicht eine Herabsetzung des Haftungsbetrags in Betracht kommt. Steht dagegen die Ermessensentscheidung der Behörde, den Kläger in Haftung zu nehmen, außer Frage und wird der Bescheid allein mit der Begründung angefochten, der Haftungsbetrag sei zu hoch festgesetzt, weil die verkürzten Steuern unrichtig ermittelt worden seien, kann das Gericht den Bescheid durch Urteil gem. § 100 Abs. 2 FGO ändern, indem es den Haftungsbetrag herabsetzt, wenn nicht auch hinsichtlich der Höhe des Haftungsbetrags die Behörde Ermessen ausgeübt hat[3]. Stellt das Gericht Ermessensfehler fest, kann es den Bescheid nur insgesamt aufheben. Ergibt sich kein Ermessensfehlgebrauch, kommt eine Herabsetzung des Haftungsbetrags in Betracht. Erst wenn die Höhe der Haftungsschuld sich nach den Feststellungen des Gerichts auf einen so geringen Betrag reduziert, dass dadurch die Zweckmäßigkeitsentscheidung der Behörde tangiert wird, kann die Ermessensentscheidung insgesamt als fehlerhaft angesehen und vom Gericht aufgehoben werden.

[1] A. A. v. Groll, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 100 Rz. 27 m. w. N.
[2] S. Erl. zu § 102 FGO.

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