Rz. 82

Im steuerrechtlichen Schrifttum hat die Einführung der Gebührenpflicht nicht nur heftige Kritik, sondern auch verfassungsrechtliche Bedenken hervorgerufen.[1] Stpfl. und deren steuerlichen Beratern wird empfohlen, gegen die Gebührenfestsetzung Einspruch zu erheben.[2] Zur Begründung wird u. a. angeführt, dass den Staat angesichts der Kompliziertheit des Steuerrechts eine Pflicht zur kostenlosen Beratung treffe. Außerdem werden Verstöße gegen das Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip, Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Rechts- und Sozialstaatsprinzip geltend gemacht.

 

Rz. 83

Die Gebührenpflicht ist m. E. mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft gehört nicht zum Steuerfestsetzungs- oder -erhebungsverfahren, sondern stellt ein davon unabhängiges Verwaltungsverfahren dar, in dem die Finanzbehörde vorweg eine dem Antragsteller individuell zurechenbare Dienstleistung erbringt.[3]

 

Rz. 84

Die Gebührenpflicht findet ihre Rechtfertigung also in dem bei der Antragsbearbeitung zusätzlich entstehenden Verwaltungsaufwand (Gesichtspunkt der Kostendeckung) und in der durch die Auskunft gewährten Planungs- und Rechtssicherheit für den Stpfl. (Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs). Bei beiden Gesichtspunkten handelt es sich um legitime Gebührenzwecke, die geeignet sind, die Erhebung der Auskunftsgebühr sachlich zu rechtfertigen.[4] Einen allgemeinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf kostenfreie verbindliche Auskünfte in eigenen Steuerangelegenheiten gibt es nicht. Hinzu kommt, dass § 89 Abs. 2 S. 4 AO im künftigen Besteuerungsverfahren eine Selbstbindung der Verwaltung bewirkt. Die Finanzbehörde kann die erteilte Auskunft selbst dann, wenn sie sich später als unrichtig erweist, mit Wirkung für die Vergangenheit nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 129 bis 131 AO berichtigen, zurücknehmen oder widerrufen.[5] Nach BFH v. 30.3.2011, I B 136/10, BFH/NV 2011, 1042 dürfe im Übrigen nicht außer Acht bleiben, dass die Unübersichtlichkeit des Steuerrechts ihre Ursache z. T. auch in der Kreativität der Stpfl. bzw. deren steuerlichen Berater habe, die – in durchaus legitimer Weise – stets bestrebt seien, etwaige Gesetzeslücken aufzuspüren und auszunutzen, was den Gesetzgeber wiederum zu gesetzlichen Ergänzungen provoziere. Schließlich trage auch die Rspr. dazu bei, das Steuerrecht für den Anwender unübersichtlicher zu machen. Eine monokausale Zuweisung der Verantwortung an den Gesetzgeber sei deshalb unangebracht.

 

Rz. 84a

Auch die Höhe der Gebühren ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.[6] Dies gilt sowohl für die sich nach der Bearbeitungszeit richtenden Zeitgebühr[7] als auch für die nach dem Gegenstandswert bemessene Wertgebühr[8], und zwar für Letztere auch dann, wenn diese auf der Basis eines Gegenstandswerts von 30 Mio. EUR festzusetzen ist.

[1] Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 89 AO Rz. 79; Stark, DB 2007, 2333; Lahme/Reiser, BB 2007, 408; Simon, DStR 2007, 557; Hans, DStZ 2007, 421 Borggreve, AO-StB 2008, 108; Keß/Zillmer, DStR 2008, 1466.
[2] Küffner/Zugmaier, DStR 2007, 2307; Dißars/Bürkle, StB 2008, 123; Werder/Dannecker, BB 2011, 1447.
[4] BVerfG v. 7.11.1995, 2 BvR 413/88, 1300/93, BVerfGE 93, 319; BVerfG v. 19.3.2003, 2 BvL 9-12/98, BVerfGE 108, 1, jeweils m. w. N.
[5] Vgl. Rz. 72ff.
[6] BFH v. 30.3.2011, I B 136/10, BFH/NV 2011, 1042; FG Baden-Württemberg v. 20.5.2008, 1 K 46/07, EFG 2008, 1342; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 89 AO Rz. 326ff.; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 89 AO Rz. 66; zweifelnd Lahme/Reiser, BB 2007, 408; Hans, DStZ 2007, 421.
[7] Vgl. Rz. 95f.
[8] Vgl. Rz. 88ff.

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