Rz. 33

Ohne rechtlichen Grund erfolgt eine Zahlung, wenn es im Zeitpunkt der Leistung an einer oder mehreren der in Rz. 25 bezeichneten Voraussetzungen fehlt.[1] Dies ist bei Zahlungen auf nicht oder nur in geringerer Höhe entstandene oder durch Zahlung oder aus anderen Gründen bereits ganz oder teilweise erloschene Ansprüche (Überzahlungen und Mehrfachzahlungen) der Fall.[2] Eine Zahlung ohne rechtlichen Grund liegt auch bei der irrtümlichen Anrechnung von (Voraus-)Zahlungen und Steuerabzugsbeträgen vor.[3] Das Gleiche gilt bei irrtümlicher Fehlleitung an einen falschen Empfänger[4], bei Zahlungen auf ein falsches oder nicht (mehr) existentes Konto[5] und bei Zahlungen an einen nicht oder nicht mehr Berechtigten.[6]

 

Rz. 34

Zahlungen, die nach Entstehung, aber vor Festsetzung des Anspruchs geleistet werden, werden nach materiellen Rechtsgrundtheorie mit rechtlichem Grund erbracht und führen gem. § 47 AO zum Erlöschen des Anspruchs, auf den sie geleistet werden.[7] Das Gleiche müsste für Zahlungen aufgrund nichtiger Steuerbescheide gelten. Nach der formellen Rechtsgrundtheorie begründen derartige Zahlungen hingegen ohne Rücksicht darauf, ob die wirksame Festsetzung noch nachgeholt werden kann, einen Erstattungsanspruch[8] dessen Geltendmachung im Einzelfall aber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen sein kann.[9]

Im Hinblick auf die Regelung des § 171 Abs. 14 AO, wonach die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht endet, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht verjährt ist, ist davon auszugehen, dass die Zahlung auf einen noch nicht (wirksam) festgesetzten Anspruch als rechtsgrundlose Zahlung anzusehen ist, die unmittelbar einen Erstattungsanspruch des Stpfl. begründet.[10]

 

Rz. 35

Zahlungen nach Festsetzung, aber vor Fälligkeit werden nicht ohne rechtlichen Grund geleistet.[11] Die Fälligkeit bestimmt lediglich über den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung fordern kann, nicht aber über den Zeitpunkt, von dem an der Schuldner die Leistung mit befreiender Wirkung erbringen kann.[12] Auch Stundung, Vollstreckungsaufschub oder Aussetzung der Vollziehung lassen den rechtlichen Grund nicht entfallen, weil der Schuldner nicht verpflichtet ist, ihm zustehende Leistungsverweigerungsrechte auszuüben.[13] Die Aufhebung der Vollziehung hat allerdings zur Folge, dass die aufgrund des Bescheids geleisteten Zahlungen vorläufig zu erstatten sind.[14]

Rz. 36–37 einstweilen frei

[1] Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 37 Rz. 35.
[2] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 37 AO Rz. 27; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 37 Rz. 35; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 37 Rz. 53.
[7] Schlücke, in Gosch, AO/FGO; § 37 AO Rz. 103; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 37 Rz. 31; offen gelassen in BFH v. 15.3.1995, I R 56/93, BStBl II 1995, 490.
[8] BFH v. 29.7.1998, II R 64/95, BFH/NV 1998, 1455; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 37 Rz. 53.
[11] Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 37 AO Rz. 37; Schlücke, in Gosch, AO/FGO, § 37 AO Rz. 106; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 37 Rz. 30; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 37 Rz. 54; a. A. Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO; § 37 AO Rz. 29.
[12] Schlücke, in Gosch, AO/FGO, § 37 AO Rz. 106; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 37 Rz. 54.
[13] Schlücke, in Gosch, AO/FGO, § 37 AO Rz. 106; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl.2020, § 37 Rz. 30; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 37 Rz. 54; a. A. Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 37 AO Rz. 29.
[14] Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 37 Rz. 30; dies galt nach BFH v. 3.7.1995, GrS 3/93, BStBl II 1995, 730, bei Aufhebung der Vollziehung des ESt-Bescheids auch für Zahlungen aufgrund des durch ihn ersetzten Vorauszahlungsbescheids; s. nunmehr aber § 361 Abs. 2 S. 4 AO, § 69 Abs. 2 S. 8 FGO.

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