1 Allgemeines

1.1 Inhalt und Bedeutung

 

Rz. 1

§ 24 AO begründet für die Fälle, in denen sich die örtliche Zuständigkeit einer Finanzbehörde nicht aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt, eine Auffangzuständigkeit der Finanzbehörde, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Damit stellt die Vorschrift sicher, dass für jeden Fall eine örtliche Zuständigkeit besteht.[1]

[1] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 24 AO Rz. 2; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 24 AO Rz. 1; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 24 AO Rz. 1.

1.2 Verhältnis zu anderen Vorschriften

 

Rz. 2

Steht eine örtliche Zuständigkeit fest, kann sich bei Anwendung der Zuständigkeitsvorschrift aber eine mehrfache Zuständigkeit ergeben[1], richtet sich die Zuständigkeit nicht nach § 24 AO, sondern nach § 25 AO.[2] Auch wenn die Anlasszuständigkeit nach § 24 AO und die Zuständigkeit der Erstbefassung mit der Sache[3] häufig zusammenfallen werden, ist die Abgrenzung im Hinblick auf die nur in § 25 AO vorgesehene Möglichkeit abweichender Vereinbarungen bedeutsam.[4]

Stehen die Voraussetzungen für die Zuständigkeit einer Finanzbehörde objektiv fest und werden diese von verschiedenen Finanzbehörden lediglich unterschiedlich beurteilt, liegt kein Fall des § 24 AO vor. Die Zuständigkeitsbestimmung richtet sich in diesen Fällen nach § 28 Abs. 1 AO bzw. nach § 28 Abs. 2 AO i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 7 FVG. In Zweifelsfällen kann es sich empfehlen, zunächst nur auf § 29 AO gestützte unaufschiebbare Maßnahmen zu treffen.[5]

[1] Z. B. gem. § 19 Abs. 35 AO.
[2] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 24 AO Rz. 6; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 24 AO Rz. 10.
[4] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 24 AO Rz. 8; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 24 AO Rz. 10.
[5] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 24 AO Rz. 9; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 24 AO Rz. 11.

2 Keine örtliche Zuständigkeit aus anderen Vorschriften

 

Rz. 3

Die Ersatzzuständigkeit nach § 24 AO betrifft in erster Linie die Fälle, in denen die Einzelregelungen der §§ 18-23 AO bzw. die Vorschriften der Einzelsteuergesetze keine Zuständigkeitsregelung treffen.

Dies gilt insbesondere für die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle gem. § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO.[1] Da die in den §§ 1823 AO und in den Einzelsteuergesetzen getroffenen Zuständigkeitsregelungen die Individualisierbarkeit eines bestimmten Steuerschuldverhältnisses und eines bestimmten Beteiligten voraussetzen, sind sie auf Vorfeldermittlungen, z. B. Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung zu Daten der Nutzer einer Internethandelsplattform[2], nicht anwendbar.[3]

Für Haftungsbescheide gem. § 191 Abs. 1 AO[4] richtet sich die Zuständigkeit ebenfalls nach § 24 AO, weil die Zuständigkeitsregeln für die Besteuerung darauf keine Anwendung finden und es damit an einer anderweitigen gesetzlichen Regelung fehlt. Die Zuständigkeit in Haftungsfällen erstreckt sich auch auf die Entscheidung über Stundung und Erlass.[5]

Auch die Zuständigkeit für Amtshilfeersuchen – unter Einschluss der Ersuchen um internationale Amtshilfe aufgrund völkerrechtlicher Verträge (DBA) bzw. der EU-Amtshilferichtlinie[6] und der EU-Beitreibungsrichtlinie[7] – richtet sich nach § 24 AO.[8]

Für die Zuteilung von Steuermessbeträgen[9] ergibt sich die Zuständigkeit des Lagefinanzamts (GrSt) bzw. des Betriebsfinanzamts (GewSt) schon aus der entsprechenden Anwendung des § 22 AO, sodass sich der (zum gleichen Ergebnis führende) Rückgriff auf § 24 erübrigt.[10]

Nach verbreiteter Ansicht besteht auch für steuerliche Nebenleistungen i. S. v. § 3 Abs. 4 AO keine anderweitige örtliche Zuständigkeit.[11] Ob daran im Hinblick auf den vom BFH für die Besteuerung aufgestellten Grundsatz der Gesamtzuständigkeit[12] festzuhalten ist, erscheint allerdings zweifelhaft.[13]

 

Rz. 4

Darüber hinaus gilt § 24 AO für die Fälle, in denen zwar eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung besteht, deren tatsächliche Voraussetzungen im Einzelfall aber nicht aufklärbar sind.[14]

So verhält es sich z. B. dann, wenn sich nicht feststellen lässt, im Bezirk welches FA sich der wertvollste Teil des Vermögens einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse befindet[15] oder vom Bezirk welches FA aus der Unternehmer sein Unternehmen ganz oder vorwiegend betreibt.[16]

Keine Anwendung findet § 24 AO in den Fällen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 AO, wenn sich der für gesonderte Feststellungen gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO maßgebende Bezirk nicht feststellen lässt. Da das Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit für die gesonderte Feststellung und der für die Besteuerung nach dem Einkommen tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Durchführung der gesonderten Feststellung ist, hat diese in diesem Fall zu unterbleiben.[17]

[3] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 24 AO Rz. 13; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 24 AO Rz. 2; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 24 Rz. 3; Koenig/Pätz, AO, 4. Aufl. 2021, § 24 Rz. 6.
[5] BF...

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