1 Allgemeines

1.1 Begründung der Regelung

 

Rz. 1

Mit der Zinspflicht nach Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung nach § 237 AO sollen die Vorteile (teilweise) abgeschöpft werden, die der Rechtsbehelfsführer aus der zeitweisen Nichtzahlung der Steuer oder Vergütungsrückforderung zieht oder ziehen könnte.[1] Insofern enthält die Vorschrift ein Gegenstück zu den Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge nach § 236 AO. Es stellt ein Entgelt für die Kapitalnutzung bzw. -nutzungsmöglichkeit dar.[2] Mit der Zinspflicht nach § 237 AO wird zugleich ein Hindernis gegen willkürliches Führen von Rechtsbehelfen errichtet.[3] Ein solches Hindernis wird seit dem Wegfall der Kostenpflicht im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren besonders in diesem Verfahrensbereich für erforderlich gehalten. Daher gilt die Zinspflicht nach § 237 AO schon für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren. Auch soll damit der Rechtsbehelfsführer bei Aussetzung der Vollziehung dem Schuldner gleichgestellt werden, der bei Stundung nach § 234 AO Stundungszinsen zu entrichten hat.

 

Rz. 2

Im Gegensatz zu der Ausdehnung des § 237 AO auf das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren sind Prozesszinsen nach § 236 AO allerdings nur für das gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren zu zahlen. Dies ist eine ungerechtfertigte Schlechterstellung des obsiegenden Rechtsbehelfsführers in den Fällen der Herabsetzung der Steuer bereits im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren.[4] Diese Ungleichbehandlung der Aussetzungs- und der Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge ist jedoch im Ergebnis ab Wirksamwerden des § 233a AO nicht mehr so gewichtig, weil Erstattungsbeträge ab Ablauf der Karenzzeit von 15 (bzw. 23) Monaten nunmehr auch für die Zeit eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens verzinst werden.

 

Rz. 3

Das StBereinG 1986[5] hat durch eine Neufassung des Abs. 1 S. 2 klargestellt, dass eine Zinspflicht auch bei Rechtsbehelfen gegen Grundlagenbescheide für die im Weg der Folgeaussetzung ausgesetzten Beträge der Folgebescheide gilt. Das StRefG 1990 hat Abs. 2 S. 2 geändert, um Zweifel über den Beginn des Zinslaufes für Fälle zu beseitigen, in denen irgendwelche Rückwirkungen der Aussetzung der Vollziehung angenommen werden könnten (vgl. Rz. 35ff).

Da diese Gesetzesänderung m. E. nicht nur eine Klarstellung, sondern eine inhaltliche Änderung ist, gilt sie nach der hier vertretenen Auffassung für alle Ansprüche, die nach dem 31.12.1988 entstehen.[6] Das GrenzpendlerG v. 24.6.1994 hatte in § 237 Abs. 1 S. 2 AO wegen der Zusammenführung der früheren Beschwerde mit dem Einspruch als dem einzigen außergerichtlichen Rechtsbehelf im Steuerverfahren eine nur als redaktionelle Anpassung gemeinte Ersetzung der Formulierung "außergerichtlicher Rechtsbehelf" durch "Einspruch" gegen den Grundlagenbescheid gebracht. Der Gesetzgeber hat dabei übersehen, dass Grundlagenbescheid i. S. d. § 171 Abs. 10 auch ein nichtsteuerlicher Verwaltungsakt sein kann, sodass die nur scheinbare redaktionelle Änderung zu einer Beschränkung der Aussetzungszinsen auf die Einspruchsanfechtung steuerlicher Verwaltungsakte als Grundlagenbescheid wurde. Im JahressteuerG 1996 v. 11.10.1995 ist[7] die Änderungen des § 237 AO durch das GrenzpendlerG wieder aufgehoben worden.

 

Rz. 4

Die Verfassungsmäßigkeit eines auf § 237 AO gestützten Aussetzungsbescheids ist streitig. Der BFH bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit des § 237 AO wegen des in § 238 Abs. 1 AO festgelegten Zinssatzes und hat die Vollziehung des Bescheids ausgesetzt; die Rechtsprechung der FG ist uneinheitlich.[8] Die BVerfG-Entscheidung v. 8.7.2021[9] betreffend § 233a AO i. V. m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO enthält keine Aussage zur Verfassungsmäßigkeit des § 237 AO. Das BMF v. 17.9.2021[10] hat die bisherige vorläufige Steuerfestsetzung in Bezug auf § 237 AO beendet und sieht nunmehr die endgültige Steuerfestsetzung vor. Zinsen nach § 233a AO sind gem. § 237 Abs. 4 AO anzurechnen. Ob auch der Bundesgesetzgeber im Zuge der Neufassung des § 233a und § 238 AO an dieser Rechtslage für § 237 AO festhalten wird, bleibt abzuwarten Für einen Erlass nach § 237 Abs. 4 AO ist bleibt aber ein gesonderter Einspruch erforderlich (vgl. Rz. 47).

Ein Verstoß Art. 6 Abs. 1 EMRK liegt nicht vor, weil diese steuerrechtliche Regelungen nicht erfasst.[11]

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