1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Regelung des § 232 AO hat zu ihrer Entsprechung im Zivilrecht zwar eine bestehende Nähe, sie weicht aber im Einzelnen ganz wesentlich von dieser ab. Im Grundsatz ist die Position des Schuldners im Steuerverfahrensrecht deutlich stärker. Der wesentliche Gehalt der Regelung ergibt sich bereits aus § 47 AO.[1]

[1] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 232 AO Rz. 1; Kögel, in Gosch, AO/FGO, § 232 AO Rz. 1; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 232 Rz. 1.

2 Wirkung der Verjährung

 

Rz. 2

Während § 214 Abs. 1 BGB bürgerlich-rechtlich dem Schuldner (nur) ein Recht zur Leistungsverweigerung einräumt, führt der Ablauf der Verjährungsfrist bei Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis zum Erlöschen der Ansprüche. Das trotz der Verjährung Geleistete kann, anders als im Zivilrecht nach § 214 Abs. 2 BGB, nach § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert werden. Nach Eintritt der Verjährung ist weder eine Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen oder Vorauszahlungen noch eine Aufrechnung mehr möglich.[1] Während nach § 215 BGB unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufrechnung auch nach Eintritt der Verjährung möglich bleibt, ist die steuerverfahrensrechtliche Regelung zur Zahlungsverjährung[2] also auch insoweit strenger.[3]

 

Rz. 3

Beträge, die der Stpfl. nach Eintritt der Zahlungsverjährung gezahlt hat, kann er, da die Zahlung zu diesem Zeitpunkt bereits ohne rechtlichen Grund erfolgte, nach § 37 Abs. 2 AO zurückfordern.[4]

 

Rz. 4

Der Eintritt der Verjährung ist von Amts wegen zu beachten; einer Geltendmachung (Einrede) bedarf es nicht. Weder der Stpfl. noch die Finanzbehörde können auf die Wirkungen der Verjährung verzichten. Da die Verjährung zum Erlöschen der Ansprüche führt, steht ihre Berücksichtigung nicht zur Disposition der Beteiligten.[5]

 

Rz. 5

Grundsätzlich ist die Verjährung für jeden Anspruch gesondert zu beurteilen. Ansprüche gegen einen Gesamtschuldner verjähren daher getrennt von den Ansprüchen gegen den anderen Gesamtschuldner, steuerliche Nebenleistungen[6] verjähren getrennt von der Hauptleistung.[7] Hiervon macht § 232 AO allerdings eine Ausnahme; mit Verjährung des Hauptanspruchs verjähren auch die hiervon abhängigen Zinsen. Insoweit hat § 232 AO eine gegenüber der Grundregel des § 47 AO eigenständige regelnde Bedeutung.[8]

Zinsansprüche können daher früher verjähren als der Hauptanspruch, etwa weil hinsichtlich des Hauptanspruchs eine Hemmung eingetreten ist, hinsichtlich des Zinsanspruchs dagegen nicht. Der Zinsanspruch kann aber nicht später verjähren als der Hauptanspruch. Sie erlöschen vielmehr (spätestens) mit dem Hauptanspruch, auch wenn die für sie laufende Verjährungsfrist (eigentlich) noch nicht abgelaufen ist.[9]

Rz. 6 einstweilen frei

[3] Heuermann, in HHSp, AO/FGO, § 232 AO Rz. 3; Günther, AO-StB 2022, 21, 25.
[4] Günther, AO-StB 2022, 21, 25.
[5] BFH v. 7.2.2002, VII R 33/01, BStBl II 2002, 447; Heuermann, in HHSp, AO/FGO, § 232 AO Rz. 3; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 232 AO Rz. 2, 5; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 232 Rz. 1.
[8] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 232 AO Rz. 1; Kögel, in Gosch, AO/FGO, § 232 AO Rz. 1; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 232 Rz. 1
[9] Kögel, in Gosch, AO/FGO, § 232 AO Rz. 3.

3 Verfahren

 

Rz. 7

Über einen Streit im Erhebungsverfahren, ob Zahlungsverjährung hinsichtlich eines Anspruchs aus dem Steuerverhältnis eingetreten ist, hat das FA durch Abrechnungsbescheid[1] zu entscheiden.[2] Mit diesem wird bindend darüber entschieden, ob ein Anspruch noch besteht. Maßgeblich sind insoweit die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (i. d. R. Einspruchsentscheidung).[3]

Gegen die Entscheidung des FA sind der Einspruch[4] und in der Folge die Anfechtungsklage[5] statthaft.[6]

 

Rz. 8

Für den Erlass des Abrechnungsbescheids ist unabhängig davon, welches FA den Anspruch ursprünglich festgesetzt hat, die nach allgemeinen Zuständigkeitsregeln[7] zu bestimmende Behörde zuständig.[8]

 

Rz. 9

Dass die Zahlungsverjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist, hat die Finanzbehörde in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.[9] Diese Pflicht obliegt auch den FG.[10] Diese Problematik ist nunmehr aber durch die Regelung des § 230 Abs. 2 S. 1 AO wesentlich entschärft, da die Zahlungsverjährung gehemmt ist, solange und soweit die Festsetzungsfrist des Anspruchs noch nicht abgelaufen ist.[11]

 

Rz. 10

Zahlungsverjährung konnte vor der Einfügung des § 230 Abs. 2 S. 1 AO in die Regelungen zur Zahlungsverjährung auch während eines Rechtsstreits über die Steuerfestsetzung eintreten, was auch für noch laufende Verfahren weiterhin Bedeutung haben kann, da die mit dem JStG 2022[12] eingefügte Regelung nach Art. 97 § 14 Abs. 6 EGAO erst für alle ...

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