Rz. 58

Die Verjährungsfrist wird auch durch Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen unterbrochen. "Finanzbehörde" ist i. S. d. § 6 AO zu verstehen, umfasst also nicht nur FA oder Hauptzollamt, sondern z. B. auch Steuerfahndungsstellen, auch wenn diese einer Mittelbehörde angegliedert sind. Die ermittelnde Finanzbehörde muss sachlich zuständig sein. Örtliche Unzuständigkeit schadet jedoch nicht[1], schon weil es bei unbekanntem Wohnsitz oder Aufenthalt gar nicht möglich ist, vorab das zuständige FA zu ermitteln.[2]

Die Ermittlungen müssen nach außen hervortreten, z. B. gegenüber einer anderen Behörde (z. B. Meldebehörde); sie brauchen für den Stpfl. nicht erkennbar zu sein.[3] Da der Wohnsitz oder Aufenthalt des Stpfl. ja gerade erst ermittelt werden soll, kann die Unterbrechung der Verjährung naturgemäß nicht davon abhängig sein, dass der Schuldner davon erfährt.[4]

 

Rz. 59

Das Gesetz spricht von Ermittlungen im Zusammenhang mit dem "Zahlungspflichtigen". Die Zahlungspflicht setzt voraus, dass bereits eine, etwa durch ein zuvor ergangenes Leistungsgebot, konkretisierte Zahlungsverpflichtung feststehen muss.[5] Dabei müssen die Maßnahmen auf den konkreten Anspruch gerichtet sein, dessen Verjährung unterbrochen werden soll.[6]

 

Rz. 60

Die Ermittlungen müssen sich auf Wohnsitz oder Aufenthalt beziehen. Ermittlung der steuerlich relevanten Sachverhalte (Besteuerungsgrundlagen) ist für die Unterbrechung der Verjährung nicht erforderlich, andererseits aber auch nicht ausreichend. Es muss sich um "Ermittlungen" handeln, also um ein aktives Tun der Finanzbehörde (z. B. Anfrage bei Einwohnermeldeamt oder anderen Registern, Anfrage bei Auskunftspersonen, tatsächliches Suchen durch einen Beamten usw.). Ein passives Verhalten (Entgegennahme einer Mitteilung) genügt dagegen für die Unterbrechung der Verjährungsfrist nicht.[7] Eine solche Ermittlung ist auch eine elektronische Anfrage beim Einwohnermeldeamt bzw. der direkte Zugriff auf die Meldedatenbank, wobei zum Nachweis ein Ausdruck der Anfrage zu den Akten zu nehmen ist.[8] Eine Online-Abfrage hat als Realakt keine andere Qualität als eine schriftliche Anfrage beim Einwohnermeldeamt und weist damit die erforderliche Außenwirkung auf, da auch hier eine über den innerdienstlichen Bereich hinaus nach außen gerichtete, sicht- und nachvollziehbare Ermittlungsmaßnahme vorliegt.

Das gilt auch für eine Online-Anfrage in die IdNr.-Datenbank des BZSt.[9] Dafür spricht auch, dass diese Datenbank des BZSt insoweit inhaltlich lediglich die den Meldebehörden vorliegenden Daten zusammenfasst.[10] Mit dem Zugriff im Wege des automatisierten Datenabrufverfahrens wird eine andere – hier der Bundesverwaltung zugehörige – Behörde kontaktiert. Das BZSt ist für das FA – wie eine Meldebehörde – aus verwaltungsorganisatorischer Sicht Dritte, womit die für die Unterbrechung der Zahlungsverjährung erforderliche Außenwirkung gegeben ist.[11] Es ist als Bundesbehörde auch nicht vorgesetzte Dienststelle des FA, so dass es auf die Kenntnis des BZSt in Form einer Wissenszurechnung (Rz. 61) hier nicht ankommt.[12]

 

Rz. 61

Eine "Ermittlung" i. d. S. liegt nur vor, wenn die Handlung auf die Ermittlung des der Finanzbehörde unbekannten Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts des Steuerschuldners gerichtet ist. Es muss ein Anlass zur Ermittlung des Wohnsitzes vorliegen. Das setzt voraus, dass der ermittelnden Finanzbehörde der Aufenthalt des Stpfl. unbekannt ist. Dabei ist darauf abzustellen, ob eventuell im FA vorhandenes Wissen dem zuständigen Sachbearbeiter zuzurechnen ist. Das Wissen eines anderen Sachbearbeiters, der organisatorisch einer anderen Einheit des FA angehört, ist dem konkret zuständigen Sachbearbeiter nicht zuzurechnen.[13] Anders verhält es sich bei Kenntnis der den Fall bearbeitenden Dienststelle, etwa wenn es sich um Informationen handelt, die dem Bearbeiter von einer vorgesetzten Dienststelle über ein elektronisches Informationssystem zur Verfügung gestellt werden. Insoweit kommt es auf die tatsächlich nicht vorhandene individuelle Kenntnis des handelnden Sachbearbeiters allein nicht an.[14] Ein Anlass zur Ermittlung des Wohnsitzes des Schuldners liegt z. B. vor, wenn die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts oder eine Vollstreckungshandlung deshalb scheitern, weil der Schuldner unter der angegebenen Adresse nicht wohnt, wenn kein anderer Wohnsitz oder konkreter Aufenthaltsort bekannt ist. Besteht kein Anlass, an dem Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort zu zweifeln und wird die Anfrage nur schematisch ohne Anlass durchgeführt, um die Unterbrechung der Verjährung zu erreichen, liegt keine "Ermittlung" vor, eine Unterbrechung der Verjährung tritt nicht ein.[15]

 

Rz. 62

Die Ermittlungen sind regelmäßig keine Verwaltungsakte, sondern Realakte. Deshalb hindern auch Zustellungsmängel die Unterbrechung der Zahlungsverjährung nicht.[16] Maßnahmen zur Ermittlung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts des Stpfl. kommen naturgemäß nur für Ansprüche der Finanz...

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