1 Grundlagen

1.1 Systematische Stellung

 

Rz. 1

§ 173 AO enthält die praktisch wichtigste Möglichkeit, den Regelungsgehalt von formell bestandskräftig gewordenen Steuerbescheiden und gleichgestellten Bescheiden zu ändern oder aufzuheben. Der Eintritt der formellen Bestandskraft[1] eines Verwaltungsakts bedeutet, dass der Verwaltungsakt existent geworden und in gewissem Umfang gegen Aufhebung und Änderung geschützt ist.

Innerhalb der Stufen der Bestandskraft[2] behandelt § 173 AO die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden, die uneingeschränkt bestandskräftig sind, d. h., von Seiten der Behörde ohne Vorbehalt der Nachprüfung erlassen (und damit nicht der freien Änderbarkeit durch die Behörde unterliegen) und von Seiten des Adressaten nicht angefochten sind. Die uneingeschränkte formelle Bestandskraft als Ausdruck eines bestimmten verfahrensrechtlichen Stadiums besagt so mit, dass diese Regelung zwar nicht unabänderlich, aber in erheblichem Umfang gegen Änderungen geschützt ist. Sie dient damit in besonderem Maße dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit, da beide Seiten davon ausgehen können, dass der Fall geregelt ist und die Regelung Bestand haben wird.

 

Rz. 2

Die uneingeschränkte Bestandskraft kann jedoch durchbrochen werden. Ihrem Wesen und ihrer Bedeutung für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden entsprechend ist diese Durchbrechung jedoch nur bei Verwirklichung besonderer gesetzlicher Tatbestandsmerkmale möglich.[3] Diese Änderungsmöglichkeiten sind in den §§ 172ff. AO, aber auch in anderen Gesetzen geregelt .[4] Für Besitz- und Verkehrsteuerbescheide, d. h. im Rahmen des sachlichen Geltungsbereichs des § 173 AO (vgl. Rz. 3), ist § 173 AO die wichtigste gesetzliche Möglichkeit, die uneingeschränkte Bestandskraft von Steuerbescheiden zu durchbrechen. Weitere in der AO geregelte wichtige Möglichkeiten der Durchbrechung der Bestandskraft sind etwa §§ 174, 175 AO sowie der praktisch weniger bedeutsame § 172 Abs. 1 Nr. 2b und c AO. § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO gehört nur insoweit hierher, als der Steuerbescheid nach Eintritt der Bestandskraft zulasten des Stpfl. geändert werden kann. Zu den in Einzelsteuergesetzen vorgesehenen Möglichkeiten, die Bestandskraft zu durchbrechen, vgl. Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 172 AO Rz. 49ff.

1.2 Sachlicher Geltungsbereich

 

Rz. 3

Nach seinem Wortlaut ist § 173 AO anwendbar auf Steuerbescheide. Damit sind alle Steuerbescheide sowie Bescheide, die wie Steuerbescheide behandelt werden, erfasst. Zum Begriff der Steuerbescheide und der gleichbehandelten Bescheide vgl. Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 155 AO Rz. 13ff. Daher können auch Freistellungsbescheide nach § 173 AO geändert werden.[1] Steuerbescheide i. d. S. sind auch Änderungsbescheide; § 173 AO ist also sowohl auf erstmalige als auch auf geänderte Steuerbescheide anwendbar.[2] Auch die Ablehnung des Erlasses eines Steuerbescheids hat nach § 155 Abs. 1 S. 3 AO die Wirkung eines Steuerbescheids und kann daher nur im Rahmen des § 173 AO geändert werden.[3] Zur Anwendung des § 173 AO auf zusammengefasste Steuerbescheide vgl. Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 155 AO Rz. 73.

Zur Einschränkung für Verbrauchsteuerbescheide vgl. Rz. 7, für Zollbescheide vgl. Rz. 8.

 

Rz. 4

§ 173 AO ist auch auf Prämienbescheide anwendbar, soweit in den jeweiligen Prämiengesetzen die Vorschriften über Steuervergütungen und damit über § 155 Abs. 3 AO die Vorschriften für Steuerbescheide für anwendbar erklärt worden sind.

 

Rz. 5

§ 173 AO ist auch auf Feststellungsbescheide anwendbar.[4] Da diese Anwendung nach § 181 Abs. 1 AO "sinngemäß" zu erfolgen hat, sind die Besonderheiten von Feststellungsbescheiden zu berücksichtigen. § 173 AO ist insbesondere auch auf die Zurechnungs- und Artfeststellung anwendbar.[5] Zur Frage, ob solche Änderungen zugunsten oder zulasten des Stpfl. wirken, vgl. Rz. 167f.

 

Rz. 6

Auf Zerlegungsbescheide ist § 173 AO entsprechend anwendbar.[6] § 189 AO bildet eine abschließende Sonderregelung nur für die Fälle, in denen der Anspruch einer Gemeinde auf Beteiligung an der Zerlegung übergangen worden ist; nur für diese Fälle verdrängt § 189 AO die Regelung des § 173 AO. Die allgemeinen Vorschriften, und damit auch § 173 AO, bleiben im Übrigen auf Zerlegungsbescheide anwendbar, z. B. für die Änderung des Zerlegungsmaßstabs (Arbeitslöhne) aufgrund neuer Tatsachen. "Entsprechende" Anwendung des § 173 AO auf Zerlegungsbescheide bedeutet, dass die Besonderheiten des Zerlegungsverfahrens (Beteiligung nicht nur des Stpfl., sondern auch der Gemeinden) zu berücksichtigen sind; vgl. hierzu Rz. 140, 171, 183.

 

Rz. 7

Aus der systematischen Stellung des § 173 AO ergibt sich eine Einschränkung des sachlichen Geltungsbereichs insoweit, als diese Vorschrift auf Verbrauchsteuerbesch...

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