Rz. 34

Die Ablaufhemmung bezieht sich nur auf den jeweiligen Stpfl. und auf den Steuerfall, der durch den Antrag des Stpfl. in Streit gezogen wurde.[1] Keine Ablaufhemmung tritt ein hinsichtlich eines anderen Steueranspruchs (anderer Zeitraum, andere Steuerart, anderer Stpfl.), auch wenn es sich um ein gleichgelagertes "Parallelverfahren" gehandelt hat.[2]

 

Rz. 35

Die Ablaufhemmung wirkt nur zugunsten desjenigen Stpfl., der den Antrag gestellt hat bzw. in dessen Namen er gestellt wurde. Für und gegen andere Personen tritt keine Ablaufhemmung ein, auch nicht für und gegen Gesamtschuldner einschl. Ehegatten.[3] Hat das Vorgehen des Stpfl. Erfolg, weil der durch die angegriffene Steuerfestsetzung erfasste Sachverhalt nicht in diesem Besteuerungsfall, sondern in einem anderen Besteuerungsfall hätte berücksichtigt werden müssen, ist die Festsetzungsfrist dieser anderen Steuerfestsetzung nicht nach Abs. 3 gehemmt (Beispiel: Der USt-Bescheid wird aufgehoben oder geändert, weil der fragliche Vorgang einer anderen Verkehrsteuer unterliegt; der ESt-Bescheid wird geändert, weil der fragliche Vorgang einem anderen Besteuerungszeitraum zuzuordnen ist). Diese Fälle werden durch § 174 Abs. 4, 5 AO erfasst, der in gewissem Rahmen eine Durchbrechung der Festsetzungsfrist zulässt.[4]

 

Rz. 36

Entsprechend ist zu entscheiden, wenn ein Bescheid gegen einen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheids bereits verstorbenen Stpfl. ergeht und seine Aufhebung, Änderung oder Berichtigung von den Erben beantragt wird. Ein solcher Bescheid geht ins Leere, da er gegen einen nicht (mehr) existierenden Stpfl. erlassen wurde. Hinsichtlich der Besteuerung der Erben tritt damit keine Ablaufhemmung ein.[5] Entsprechendes gilt, wenn die steuerpflichtige Kapitalgesellschaft durch Umwandlung untergegangen ist.[6]

 

Rz. 37

Nach § 171 Abs. 3 AO läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, als der Antrag des Stpfl. reicht. Damit ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes eindeutig eine gegenständlich eingeschränkte Ablaufhemmung.[7] Die Ablaufhemmung tritt nur in dem betragsmäßigen Rahmen des Antrags ein. Der Stpfl. hat es also in der Hand, durch die Formulierung des Antrags den Umfang der Ablaufhemmung zu bestimmen.

Die Ablaufhemmung kann nicht einen Steuerbetrag erfassen, der über den festgesetzten Steuerbetrag (auf den sich der Antrag auf Änderung, Aufhebung bzw. Berichtigung richtet) hinausgeht. Soweit Steuererhöhungen (Änderung zum Nachteil des Stpfl.) infrage stehen, ist die Festsetzungsfrist also nicht nach Abs. 3 gehemmt; insoweit tritt Teilverjährung ein.[8] Das gilt auch, wenn der Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, § 164 AO, stand.[9]

Diese beschränkte Wirkung des Abs. 3 führt dazu, dass sich die Hemmung der Festsetzungsfrist bei einem Grundlagenbescheid nur nach Abs. 10 richtet, nicht nach der Hemmung des Folgebescheids nach Abs. 3. Grundsätzlich zum Verhältnis des Abs. 3 zu Abs. 10 vgl. Rz. 187. Das gilt aber nicht, wenn sich der Antrag gerade auf die Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid richtet oder wenn der Antrag gestellt wird, weil ein negativer Feststellungsbescheid ergangen ist und daher jetzt über die streitigen Besteuerungsgrundlagen im Folgebescheid zu entscheiden ist.[10] Zwar hat die Anpassung des Folgebescheids bei Ergehen eines positiven oder negativen Grundlagenbescheids nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO von Amts wegen zu erfolgen; trotzdem kann der Stpfl., ebenso wie bei Änderungen nach §§ 172174 AO, den Antrag auf Änderung stellen. Grund ist, dass eine Änderung des Folgebescheids auf Grund eines Grundlagenbescheids eine Verpflichtungsklage wäre, keine Anfechtungsklage. Daher ist § 171 Abs. 3 AO anwendbar, nicht § 171 Abs. 3a AO. Dieser Antrag ruft die Wirkungen des § 171 Abs. 3 AO hervor. Durch die Stellung dieses Antrags innerhalb der nach § 171 Abs. 10 AO gehemmten Festsetzungsfrist kann der Stpfl. also die Hemmung über Abs. 3 bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag ausdehnen.

 

Rz. 38

Daneben ist jedoch § 177 AO anwendbar. Das bedeutet, dass innerhalb des Berichtigungsrahmens auch Sachverhalte berücksichtigt werden können, die nicht durch den Antrag des Stpfl. umfasst sind. Die Festsetzungsfrist bezieht sich immer nur auf den Steueranspruch selbst, also nicht auf einzelne Sachverhalte. Bei Anwendung des § 177 AO bleibt der (bestandskräftige, durch Festsetzungsverjährung unabänderliche) Steueranspruch unberührt und unverändert; lediglich die Begründung wird ausgetauscht. Die Festsetzungsfrist wird also durch Anwendung des § 177 AO nicht durchbrochen.[11] Das bedeutet, dass die Finanzbehörde gegenüber einem Änderungsantrag des Stpfl. auf Herabsetzung der Steuer geltend machen kann, aus einem anderen Sachverhalt (für den die Ablaufhemmung nicht gilt) ergäbe sich ein höherer Steuerbetrag. Dabei ist ein Hinausgehen über den ursprünglichen Steuerbetrag aber nicht möglich.

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