Rz. 21

Die Korrekturpflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt einen Erklärungsfehler des Erklärungspflichtigen voraus. Liegt ein solcher Fehler nicht vor, besteht nach dem Wortlaut der Bestimmung keine Korrekturpflicht.[1] Ein Fehler der Finanzbehörde, den diese bei der Auswertung einer richtigen Steuererklärung macht, begründet keine Hinweispflicht, auch wenn er sich zum Vorteil des Stpfl. auswirkt.[2]

 

Rz. 22

Die Fehlerhaftigkeit muss im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe gegeben sein.[3] Nachträgliche Veränderungen der Besteuerungsgrundlagen mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit begründen keine Korrekturpflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO. Eine nachträgliche Veränderung der Rechtsauffassungen macht die Erklärung nämlich keinesfalls unrichtig.[4] An dieser Stelle wirkt sich der Rechtsgedanke des § 176 AO aus, der den Stpfl. vor Änderungen zu seinen Ungunsten schützt.

 

Rz. 23

Die Steuererklärung enthält i. d. S. einen Fehler, wenn sie unrichtig oder unvollständig ist:

  • Unrichtigkeit der Erklärung ist gegeben, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, also die Besteuerungsgrundlagen i. S. v. § 199 Abs. 1 AO, so dargestellt sind, dass eine Steuerverkürzung eintreten kann. Diese Unrichtigkeit kann sich auch aus den in den Steuererklärungen geforderten rechtlichen Würdigungen und Einordnungen ergeben.[5] Eine ungünstige steuerliche Gestaltung ist keine Unrichtigkeit.
  • Unvollständigkeit einer Steuererklärung liegt vor, wenn nicht alle in der Erklärung geforderten Angaben gemacht werden, sodass hierdurch eine Steuerverkürzung möglich wird.
 

Rz. 24

Die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Steuererklärung muss steuerrechtlich relevant sein.[6] Sie muss also zu einer Steuerverkürzung geführt haben oder diese objektiv ermöglichen. Eine Steuerverkürzung liegt nach § 370 Abs. 4 S. 1 AO dann vor, wenn die Steuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt wird.[7] Unbeachtlich ist insoweit, ob die Steuerfestsetzung vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist oder ergehen müsste. Letzteres gilt nach § 168 AO insbesondere für Steueranmeldungen.

 

Rz. 25

Die Voraussetzungen der Steuerverkürzung liegen nach § 370 Abs. 4 S. 3 AO auch dann vor, wenn die Steuer, auf die sich die Erklärung und die darin enthaltenen unrichtigen oder nicht enthaltenen Angaben beziehen, aus anderen Gründen ermäßigt werden müsste. Die Erklärung ist insoweit nicht als Einheit zu betrachten, sondern die Korrekturpflicht besteht für die einzelne unrichtige oder fehlende Angabe die jeweils gesondert rechtlich zu würdigen ist. Bewirkt die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit nur einen "nicht gerechtfertigten Steuervorteil" i. S. v. § 370 Abs. 1 AO, so besteht nach dem Wortlaut des § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO keine Korrekturpflicht.[8]

[1] FG des Saarlandes v. 1.12.2010, 1 V 1321/10, Haufe-Index 2721526; auch keine Pflicht zur Wiederholung einer durch die Finanzbehörde aufgehobenen Steueranmeldung.
[2] BFH v. 7.9.1993, VII R 128/92, BFH/NV 1994, 672; FG des Landes Sachsen-Anhalt v. 29.10.2009, 5 K 531/06, EFG 2010, 984 m. w. N.; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 153 AO Rz. 11; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 153 Rz. 2.
[3] Stöcker, in Gosch, AO/FGO, § 153 AO Rz. 15; Heuermann, in HHSp, AO/FGO, § 153 AO Rz. 9.
[4] FG Berlin v. 11.3.1998, 6 K 6305/93, EFG 1998, 1166; s. auch Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 153 AO Rz. 11.
[5] Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, Vor §§ 149153 AO Rz. 9; vgl. Lohmeyer, DStZ/A 1978, 366; Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 153 Rz. 15; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 153 AO Rz. 11f.; Steinbeck, in Zugmaier/Nöcker, AO, § 153 AO Rz. 16.
[6] FG Berlin v. 11.3.1998, 6 K 6305/93, EFG 1998, 1166; Heuermann, in HHSp, AO/FGO, § 153 AO Rz. 10; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 153 Rz. 4.
[8] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 153 AO Rz. 14; s. aber Rz. 9 und die dort aufgeführten Fundstellen für die h.  M.

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