1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift basiert auf der WareneingangsVO v. 20.6.1935.[1] Zweck dieser besonderen Aufzeichnungspflicht den Wareneingang betreffend ist es, insbesondere die Überprüfung des Betriebsergebnisses durch Nachkalkulation zu ermöglichen.[2] Im Zusammenhang mit dem allerdings nur bei Großhandelsgeschäften zu führenden Warenausgangsbuch[3] können die Warenbewegung und durch entsprechende Kontrollmitteilungen gem. § 194 Abs. 3 AO stichprobenweise die Vollständigkeit des aufgezeichneten Wareneingangs überprüft werden.[4]

 

Rz. 2

Bei der Verpflichtung zur Aufzeichnung des Wareneingangs handelt es sich um eine selbstständige Rechtspflicht[5], die andere steuerliche Aufzeichnungspflichten unberührt lässt.[6] Insbesondere bleibt die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Umsätze nach § 22 UStG bestehen, da beide Aufzeichnungen eine unterschiedliche Zielrichtung verfolgen und einen verschiedenen Inhalt haben.[7] Eine technische Zusammenfassung beider Aufzeichnungen ist allerdings zulässig, sofern der Inhalt und der Aussagewert beider Aufzeichnungen nicht beeinträchtigt werden.[8] Die Pflicht zur Aufzeichnung nach § 143 AO besteht auch unabhängig von einer etwaigen Buchführungspflicht.[9] Deshalb haben auch nicht buchführungspflichtige gewerbliche Unternehmer (s. Rz. 3) den Wareneingang aufzuzeichnen.[10] Ein Verstoß gegen § 143 AO kann die Korrektur eines bestandskräftigen Steuerbescheids nach § 173 AO rechtfertigen.[11]

[1] RGBl 1935, 752; zur Historie vgl. Görke, in HHSp, AO/FGO, § 143 AO Rz. 1.
[2] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 143 AO Rz. 1; Görke, in HHSp, AO/FGO, § 143 AO Rz. 2; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 143 Rz. 1; Mittelhammer, in Zugmaier/Nöcker, AO, § 143 AO Rz. 1; BFH v. 9.3.2016, X R 9/13, BStBl II 2016, 815; BFH v. 19.1.2017, III R 28/14, BStBl II 2017, 743.
[4] FG Münster v. 26.4.1994, 1 K 6055/92, EFG 1994, 863.
[5] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 143 AO Rz. 3.
[8] Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 143 Rz. 6.
[10] FG Hamburg v. 30.3.2007, 7 K 10/06, NWB direkt 2007, 3, Haufe-Index 1763573; Görke, in HHSp, AO/FGO, § 143 AO Rz. 3ff. ausführlich zum Kreis der durch § 143 AO Verpflichteten.

2 Adressaten der Vorschrift

 

Rz. 3

Die Pflicht zur Aufzeichnung des Wareneingangs besteht nur für gewerbliche Unternehmer, d. h. für diejenigen, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 15 EStG beziehen.[1] Die Regelung gilt somit insbesondere nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung nicht für Land- und Forstwirte[2], aber auch nicht für Selbstständige.[3]

[2] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 143 AO Rz. 2; so auch AEAO zu § 143 AO Nr. 1.
[3] Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 143 Rz. 3; Mittelhammer, in Zugmaier/Nöcker, AO, § 143 AO Rz. 6.

3 Gegenstand der Aufzeichnungspflicht

3.1 Waren

 

Rz. 4

Die Aufzeichnungspflicht besteht für den Erwerb von Waren.[1] Dieser Begriff ist in Übereinstimmung mit der im Handelsverkehr üblichen Auffassung zu bestimmen. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB sind Waren bewegliche Sachen, also körperliche Gegenstände i. S. v. § 90 BGB.[2] Der Aggregatzustand der Ware ist hierbei unerheblich.[3] Ob Software als Ware anzusehen ist, kann im Einzelfall fraglich sein[4], wird aber zumindest für Standardsoftware regelmäßig zu bejahen sein.[5] Die Aufzeichnungspflicht nach § 143 AO besteht nach dem Wortlaut der Norm deshalb nicht für erworbene:

  • Grundstücke im Rechtssinn.[6] Der Erwerb von Gegenständen, die noch rechtlich unselbstständige Bestandteile eines Grundstücks sind[7], ist aufzeichnungspflichtig, wenn der Lieferer die Trennung vornehmen wird. Der Erwerb des Rechts auf Abtrennung dieser Erzeugnisse und die Selbstgewinnung der Ware begründet demgegenüber keine Aufzeichnungspflicht.
  • Rechte, selbst wenn diese in Wertpapieren verbrieft sind und sie zivilrechtlich, wie z. B. die Inhaberpapiere[8], wie bewegliche Sachen behandelt werden.[9]
 

Rz. 5

Waren sind nach § 143 Abs. 2 S. 1 AO nicht nur die fertiggestellten Produkte, sondern Materialien in jedem Zustand (Rohstoffe, unfertige Erzeugnisse).[10] Die Aufzeichnungspflicht bezieht sich also auch auf die zur Be- oder Verarbeitung des Produkts erforderlichen Hilfsstoffe oder Zutaten, allerdings nur auf solche Hilfsstoffe oder Zutaten, die unmittelbar einem Produkt zuzuordnen sind.[11] Soweit sich eine derartige unmittelbare Beziehung zum Produkt nicht einfach und sicher erkennen lässt, wie dies etwa bei Gemeinkosten der Fall ist (z. B. Strom oder Wasser), ist die Erfassung über allgemeine Aufwandskonten zulässig.[12]

[2] Görke, in HHSp, AO/FGO, § 143 AO Rz. 10; Koenig/Haselmann, 4. Aufl. 2021, § 143 Rz. 9.
[3] Drüen, in Tipke/Kruse, AO...

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