Rz. 7

Das Gesetz verwendet für die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts den Begriff "Rücknahme" und versteht unter "Widerruf" die Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts. Ob der Verwaltungsakt rechtswidrig oder rechtmäßig ist, ist ggf. durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont zu ermitteln. Durch diese Auslegung wird der Regelungsgehalt bestimmt, der auch bei der Anwendung des § 130 AO zu berücksichtigen ist. Dabei ist der Begriff der "Aufhebung" als Oberbegriff für die Beseitigung eines Verwaltungsakts durch die Behörde zu verstehen, der die Begriffe der Rücknahme und des Widerrufs umfasst.

Die Rücknahme kann, ebenso wie der Widerruf, als vollständige Rücknahme den gesamten Verwaltungsakt oder als Teilrücknahme einen Teil des Verwaltungsakts beseitigen. Die Rücknahme, d. h. die Durchbrechung der Bestandskraft, muss sich immer auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsakts beziehen, der der Bestandskraft fähig ist. Die bloße Änderung oder ein Nachschieben der Gründe berührt die Bestandskraft der Verwaltungsakte nicht und ist daher keine (teilweise) Rücknahme.

Für Verwaltungsakte, die keine Steuerbescheide sind oder nicht wie Steuerbe­scheide behandelt werden, enthält das Gesetz keine Vorschrift zur "Änderung" des Verwaltungsakts. Eine "Änderung" zugunsten des Stpfl. ist daher Rücknahme (oder Widerruf) des Verwaltungsakts, evtl. Teilrücknahme oder Teilwiderruf, wenn der Verwaltungsakt seinem Inhalt nach teilbar ist. Eine Änderung zulasten des Stpfl. ist entsprechend Rücknahme oder Widerruf des ursprünglichen Verwaltungsakts und Neuerlass.

 

Rz. 8

Der Begriff der "Rücknahme" kann unterschiedlich sein je nach dem Inhalt des zurücknehmenden Verwaltungsakts. Die Rücknahme eines Verwaltungsakts ist selbst Verwaltungsakt; sie enthält daher eine eigenständige, der Bestandskraft fähige Entscheidung, sie ist nicht lediglich "schlichte" Beseitigung des Regelungsgehalts des ursprünglichen Verwaltungsakts. Das bedeutet, dass die Wirkungen des ursprünglichen Verwaltungsakts bestandskräftig beseitigt worden sind. Soll die Rücknahme ihrerseits zurückgenommen werden, ist dies nur nach § 130 AO möglich. War die Rücknahme selbst ein begünstigter Verwaltungsakt (zu diesem Begriff vgl. Rz. 33), weil der ursprüngliche Verwaltungsakt belastend war, ist die Rücknahme der Rücknahme nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des Abs. 2 möglich. Zu den Wirkungen der Rücknahme der Rücknahme vgl. Rz. 57.

Ein Widerruf der Rücknahme ist wirkungslos. Da der Widerruf keine Wirkung auf die Vergangenheit hat, kann er die Wirkungen des ursprünglichen Verwaltungsakts nicht wiederherstellen.

 

Rz. 9

Eine Rücknahme liegt nicht vor, wenn aufgrund einer nach Erlass des Verwaltungsakts eintretenden Änderung der Sach- und/oder Rechtslage die Regelung geändert wird. Die Frage nach der Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bezieht sich zeitlich immer auf den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung; ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er auf der Grundlage des verwirklichten Sachverhalts in diesem Zeitpunkt nicht der geltenden Rechtslage entspricht. Ändert sich der Sachverhalt, wird der ursprüngliche Verwaltungsakt gegenstandslos, es ist auf der Grundlage des neuen Sachverhalts neu zu entscheiden. Ändert sich die Rechtslage, gilt dies grundsätzlich nur für die Zukunft. Es hängt dann im Einzelfall von der Regelung des Gesetzes ab, ob der Verwaltungsakt geändert werden kann oder dem Stpfl. Vertrauensschutz zu gewähren ist.[1]

 

Rz. 9a

Die Rücknahme setzt die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts voraus. Ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Zeitpunkt seines Erlasses. Nur wenn zu diesem Zeitpunkt ein nicht gegebener Sachverhalt dem Verwaltungsakt zugrunde gelegt oder geltendes Recht unrichtig angewendet worden ist, ist eine Rücknahme möglich. Unerheblich ist, ob der Verwaltungsakt aufgrund einer Sachverhalts- oder Gesetzesänderung rechtswidrig wird. Eine Ausnahme besteht nur im Fall einer steuerlichen Rückwirkung. In diesem Fall kann auch bei Änderungen nach dem ­Erlasszeitpunkt eine Rücknahme gem. § 130 Abs. 2 S. 3 AO erfolgen.[2] In diesem Fall führt die steuerliche Rückwirkung dazu, dass der Verwaltungsakt schon zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war.

[1] Vgl. auch M. Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 131 AO Rz. 5.

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