4.1 Prozessakten (§ 78 Abs. 2 S. 1 FGO)

 

Rz. 37

§ 78 Abs. 2 FGO in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung befasst sich mit der Art und Weise der Akteneinsicht, wenn die Prozessakten elektronisch geführt (sog. "führende" elektronische Akte) werden. Eine Verpflichtung, die Prozessakten elektronisch zu führen, besteht für die Gerichte nach § 52b Abs. 1a FGO indes erst ab dem 1.1.2026.[1]

 

Rz. 38

Nach dem Wortlaut des § 78 Abs. 2 Satz 1 FGO bezieht sich die in § 78 Abs. 2 FGO geregelte Art und Weise der Akteneinsicht auf die Gerichtsakten. Denn § 78 Abs. 2 Satz 1 FGO erwähnt allein die Prozessakten, die wiederum § 52b FGO näher bestimmt.

 

Rz. 39

Aufgrund dieses Wortlautverständnisses dürfte sich die praktische Bedeutung der Regelung des § 78 Abs. 2 FGO in Grenzen halten, da der Inhalt der Gerichtsakte den Beteiligten bekannt sein dürfte. Für die sachgerechte Führung des Prozesses ist es jedoch für die Beteiligten wichtiger, den Inhalt der sonstigen Akten zu kennen, die dem Gericht vorgelegt werden.[2] Da indes § 78 Abs. 2 FGO im Weiteren nur noch von den "Akten" spricht, ist es m. E. auch vertretbar, diesen Begriff auf die nach § 78 Abs. 1 FGO dem Gericht vorgelegten, sonstigen Akten zu beziehen, wenn diese Akten ebenfalls elektronisch geführt werden und in elektronischer Form übermittelt werden. Dies kann beispielsweise die Akten der Familienkassen und der Bundesagentur für Arbeit in Kindergeldfällen betreffen, wenn die Familienkassen die bereits jetzt elektronisch geführten Akten nicht in Form eines Papierausdrucks nach § 8 Nr. 1 EGovG zur Verfügung stellen, sondern als elektronisches Dokument nach § 8 Nr. 2 EGovG übermitteln. § 78 FGO verpflichtet das Gericht jedoch nicht, in Papierform vorgelegte Akten in eine elektronische Form zu überführen. Für Akten, die in Papierform vorgelegt werden, richtet sich die Art und Weise der Akteneinsicht nach § 78 Abs. 3 FGO.

Rz. 40 und 41 einstweilen frei

[1] S. Erläuterungen zu § 52b FGO.

4.2 Bereitstellung des Inhalts zum Abruf (§ 78 Abs. 2 S. 1 FGO)

 

Rz. 42

Für die Prozessakten bestimmt § 78 Abs. 2 Satz 1 FGO als Grundregel, dass die Akteneinsicht durch die Bereitstellung des Akteninhalts zum Abruf erfolgen soll. Um dies zu ermöglichen, soll derzeit ein bundesweites Akteneinsichtsportal für alle Länder und den Bund entwickelt werden.[1] Für diese Art der Akteneinsicht kann die Akte auch in ein anderes Format übertragen (etwa im Wege eines "Exports" in das PDF-Format) und so den berechtigen Personen mittels einer besonders gesicherten Verbindung ggf. über das Internet zum Abruf bereitgestellt werden.[2] Der Begriff "Abruf" schließt dabei die Möglichkeit eines Herunterladens des Datenpakets ein.[3] Möglich ist es auch, eine entsprechende Datei über einen sicheren Übermittlungsweg i. S. v. § 52a Abs. 4 FGO zu übersenden.[4]

Rz. 43 und 44 einstweilen frei

[1] BT-Drs 18/9416, 95f. zum vergleichbaren § 299 Abs. 3 S. 1 ZPO.
[2] BR-Drs. 236/16, 56, BT-Drs. 18/9416, 56 zum vergleichbaren § 32f Abs. 1 Satz 1 StPO.
[3] BT-Drs. 18/9416, 56 zum vergleichbaren § 32f Abs. 1 Satz 1 StPO.
[4] Stalbold, in Gosch, AO/FGO, § 78 FGO Rz. 25

4.3 Einsichtnahme in Diensträumen (§ 78 Abs. 2 S. 2 FGO)

 

Rz. 45

Alternativ kann gem. § 78 Abs. 2 Satz 2 FGO die Akteneinsicht in den Diensträumen gewährt werden, wenn der Berechtigte einen diesbezüglichen Antrag stellt. Eine gesonderte Begründung ist für diesen Antrag nicht erforderlich. Der Begriff "Diensträume" meint dabei Räumlichkeiten, die vorübergehend oder dauernd dem öffentlichen Dienst zur Ausübung dienstlicher Tätigkeiten dienen und über die ein Träger öffentlicher Gewalt das Hausrecht ausübt.[1] Damit müssen die Akten nicht mehr grundsätzlich in den Diensträumen des jeweiligen Prozessgerichts eingesehen werden. Falls in anderen Diensträumen in der Nähe des Wohnortes des Klägers oder des Sitzes des Prozessbevollmächtigten die Einsichtnahme möglich ist, ist bei entsprechendem Antrag die jeweilige Behörde oder das jeweilige Gericht im Wege der Amtshilfe[2] zu bitten, in den dortigen Diensträumen Akteneinsicht zu gewähren. I. d. R. wird hierfür angeordnet, dass die Akten unter Aufsicht eines Bediensteten zu erfolgen hat, was zu protokollieren ist.[3] Dabei sind die Akten so wahrnehmbar zu machen, wie sie auch vom Gericht wahrgenommen werden können.[4]

Rz. 46 und 47 einstweilen frei

[1] BR-Drs. 236/16, 57, BT-Drs. 18/9416, 56f. zum vergleichbaren § 32f Abs. 1 Satz 2 StPO.
[3] Stalbold, in Gosch, AO/FGO, § 78 GO Rz. 36; Thürmer, in HHSp, AO/FGO, § 78 FGO Rz. 66, 69.
[4] BR-Drs. 236/16, 57, BT-Drs. 18/9416, 56 zum vergleichbaren § 32f Abs. 1 Satz 2 StPO.

4.4 Übermittlung eines Aktenausdrucks oder eines Datenträgers (§ 78 Abs. 2 S. 3 FGO)

 

Rz. 48

§ 78 Abs. 2 Satz 3 FGO sieht als dritte Möglichkeit der Akteneinsicht vor, dass ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der Akten dem Berechtigten übermittelt wird. Indes handelt es sich hierbei um eine Ausnahme für die Art und Weise der Akteneinsicht, für die ein besonders begründeter Antrag erforderlich und ein berechtigtes Interesse darzulegen ist. Ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, ist objektiv zu beurteilen, nicht anhand des subjektiven Empfindens des Antragstellers, der es evtl. vorzieht, mit einer Pap...

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