Rz. 39

Neben dem Untersuchungsgrundsatz verweist § 76 Abs. 1 FGO auf die Mitwirkungspflichten der Beteiligten. Die Amtsermittlungspflicht des FG kann nicht losgelöst von den Mitwirkungspflichten der Beteiligten gesehen werden, die mit der Amtsermittlungspflicht korrespondieren.[1] Die Mitwirkungspflichten treffen alle Beteiligten, also auch die Finanzbehörden.[2]

 

Rz. 40

Die gerichtliche Sachaufklärung wird grundsätzlich durch das Vorbringen der Beteiligten veranlasst und begrenzt[3], die nach § 76 Abs. 1 S. 2 FGO vom Gericht zur Sachaufklärung heranzuziehen sind. Dabei trifft die Beteiligten in besonderer Weise eine Mitverantwortung für die Sachaufklärung bezüglich der Tatsachen, die ihrem Einflussbereich oder doch zumindest ihrem Wissensbereich zuzurechnen sind.[4] Je weniger die Beteiligten ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen, umso weniger ist das Gericht zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet.[5] Dies gilt in gleichem Maße für die Finanzbehörde. Wurden beispielsweise Beweismittel aufgrund von Organisationsmängeln im Bereich der Finanzverwaltung vernichtet und können sich daher die Gerichte kein eigenes Bild vom Sachverhalt mehr machen, darf dies nicht zulasten des Stpfl. gehen.[6] Aus dem Grundsatz der Prozessökonomie ergibt sich, dass das Gericht zwar berechtigt, aber keineswegs stets verpflichtet ist, unter Inkaufnahme eines unverhältnismäßig großen Aufwands Umstände zu ermitteln, die im Wissensbereich der Beteiligten liegen und die diese unter Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht nicht preisgeben.[7]

 

Rz. 41

Trotz des Untersuchungsgrundsatzes müssen die Beteiligten Beweisanträge stellen und Aufklärungsverfügungen des Gerichts anregen. Kommen die Beteiligten Aufforderungen seitens des Gerichts nicht nach, so hat das Einfluss auf die Grenzen der Sachaufklärung durch das Gericht[8], es sei denn, der Sachverhalt ergibt sich vollständig aus den dem Gericht vorliegenden Akten.[9] Wegen der Mitverantwortung der Beteiligten für die Sachaufklärung und ihrer jeweiligen Beweisnähe kann es daher erforderlich sein, dass die Beteiligten von sich aus Beweis anbieten müssen.[10] Bei unsubstanziierten Beweisanträgen hat das Gericht u. U. auf fehlende Unterlagen und Beweismittel hinzuweisen.[11] Bestand Anlass für die Beteiligten, eine Beweiserhebung zu beantragen, verletzt das Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts nicht.[12] Ebenso wenig liegt eine Pflichtverletzung des Gerichts vor, wenn es sich für den beratenen Beteiligten aufdrängt, fehlende Angaben aus den ihm vorliegenden oder von ihm beschaffbaren Unterlagen in das Verfahren einzubringen und er dies unterlässt.[13]

 

Rz. 42

Über die in § 76 Abs. 1 S. 4 FGO geregelten besonderen Mitwirkungspflichten hinaus kann das Gericht von den Beteiligten nicht eine besondere Art von Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung verlangen. Die Beteiligten genügen ihrer Mitwirkungspflicht, wenn sie geeignete Beweismittel benennen. Das Gericht ist in Schätzungsfällen daher nicht befugt, von jeglicher Sachaufklärung etwa durch Zeugenvernehmung abzusehen, wenn der Kläger sich weigert, eine Steuererklärung abzugeben, stattdessen aber Zeugenbeweis anbietet.[14] Entsprechendes Verhalten der Beteiligten ist jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung zu werten.

[1] Thürmer, in HHSp, AO/FGO, § 76 FGO Rz. 115f.; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 76 FGO Rz. 49f., und im Einzelnen zu einer "Kooperationsmaxime" § 76 FGO Rz. 76ff.; Stalbold, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 76 FGO Rz. 54ff.
[2] Sächsisches FG v. 11.8.1993, 1 K 8/93, EFG 1993, 731; vgl. auch BFH v. 12.12.2007, I B 134/07, BFH/NV 2008, 736; a. A. Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 76 FGO Rz. 59, und Thürmer, in HHSp, AO/FGO, § 76 FGO Rz. 114, für die Mitwirkungspflichten nach § 76 Abs. 1 S. 4 FGO.
[14] A. A. FG Düsseldorf v. 18.11.1991, 10 K 598/85 F, U, EFG 1992, 209.

2.2.1 Allgemeine Pflichten (§ 76 Abs. 1 S. 3 FGO)

 

Rz. 43

Die Beteiligten haben ihre Erklärungen gem. § 76 Abs. 1 S. 3 FGO vollständig und wahrheitsgemä...

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