1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Regelung des § 72 FGO ist Ausdruck der im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Dispositionsmaxime, nach der es dem Kläger frei steht, von einem Rechtsschutzbegehren auch nach Klageerhebung – ggf. nach Einwilligung des Beklagten – noch Abstand zu nehmen. In Abs. 1 der Vorschrift werden die Voraussetzungen einer wirksamen Klagerücknahme geregelt (Rz. 5ff.). Die Regelung des Abs. 1a betrifft eine ausnahmsweise zulässige "Teilrücknahme" einer Klage (Rz. 32ff.). Abs. 2 bestimmt die Rechtsfolgen, die durch eine wirksame Klagerücknahme ausgelöst werden und in welcher Form das zur Entscheidung berufene Gericht diese festzustellen hat (Rz. 38ff.). In Abs. 2 S. 3 wird außerdem festgehalten, bis zu welchem Zeitpunkt eine etwaige Unwirksamkeit der Klagerücknahme erfolgreich geltend gemacht werden kann (Rz. 55ff.).

 

Rz. 2

Die Klagerücknahme ist die Erklärung (Rz. 5) gegenüber dem Gericht (Rz. 11), ein bestimmtes Klageverfahren bzw. bei einer Teilrücknahme das Klageverfahren gegen bestimmte selbständige Streitgegenstände (Rz. 22) nicht mehr durchführen zu wollen. Die Rücknahmeerklärung beendet daher das anhängige Verfahren als Ausdruck der auch im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Dispositionsmaxime. Die Klagerücknahme bewirkt bei drohendem Misserfolg der Klage insbesondere die Minderung der Gerichtskostenlast.[1]

 

Rz. 3

Die Regelungen über diese sog. Zurücknahme der Klage gilt nach dem Wortlaut des § 72 FGO für das Klageverfahren und ist auch entsprechend für die selbstständigen Antragsverfahren zur Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO[2], der einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO[3], der Prozesskostenhilfe nach § 142 FGO, zur Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung nach § 149 Abs. 2 FGO[4] anwendbar. Für die Rücknahme eines Rechtsmittels zum BFH (Revision, Nichtzulassungsbeschwerde) gilt § 125 FGO. Lediglich die Zurücknahme einer Beschwerde i. S. d. § 128 FGO erfolgt in entsprechender Anwendung des § 72 FGO.[5]

 

Rz. 4

Die Rücknahme führt zur rückwirkenden Beseitigung der Rechtshängigkeit der Streitsache, so dass sie eine gerichtliche Entscheidung in der Sache verhindert (Rz. 38). Daher ist das Nichtvorliegen einer wirksamen Rücknahmeerklärung auch eine – negative – Sachentscheidungsvoraussetzung für das Verfahren, die das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat.[6]

2 Die Rücknahmeerklärung (Abs. 1 S. 1)

2.1 Allgemeines

 

Rz. 5

Die Rücknahmeerklärung ist eine prozessuale Willenserklärung[1], die mit dem Zugang bei dem Gericht rechtswirksam wird und auch einer Auslegung zugänglich ist (Rz. 12). Eine solche Prozesshandlung ist bedingungsfeindlich, sodass eine unter einer außerprozessualen Bedingung abgegebene Rücknahmeerklärung auch dann keine Wirkung entfaltet, wenn die Bedingung tatsächlich eintritt.[2] Die Rücknahme bewirkt ohne weitere gerichtliche Entscheidung, dass die Rechtshängigkeit im Zeitpunkt des Zugangs der Rücknahmeerklärung bei Gericht (Rz. 11) rückwirkend entfällt.[3]

 

Rz. 6

Ein Widerruf der Rücknahmeerklärung ist daher auch aufgrund ihrer prozessualen Gestaltungswirkung ausgeschlossen.[4] Dies gilt auch, wenn die nach § 72 Abs. 1 S. 2 und 3 FGO erforderliche Einwilligung des Beklagten (Rz. 25) noch nicht vorliegt.[5] Der Widerruf erlangt nur dann keine Wirksamkeit, wenn der Widerruf vor der Rücknahmeerklärung oder zumindest gleichzeitig mit dieser beim Gericht eingeht.[6]

 

Rz. 7

Aus demselben Grund ist eine Anfechtung der Rücknahmeerklärung nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Willenserklärungen – z. B. wegen Irrtums – ausgeschlossen.[7] Gleichwohl sieht die FGO aber in § 72 Abs. 2 S. 3 FGO ausdrücklich den Fall vor, dass in einem Rechtsstreit nachträglich die Unwirksamkeit einer Rücknahme geltend gemacht werden kann (Rz. 55).

2.2 Erklärungsbefugnis

 

Rz. 8

Die Rücknahmeerklärung kann nur vom Kläger i. S. d. § 57 Nr. 1 FGO abgegeben werden. Sie steht in seinem freien Belieben und bed...

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