1 Sprungklage nach § 45 Abs. 1–3 FGO

1.1 Einordnung und Zweck der Vorschrift

 

Rz. 1

§ 45 FGO regelt – ohne vergleichbare Vorschriften in der VwGO – als Ausnahmevorschrift die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die unmittelbare Klageerhebung in Fällen, in denen nach § 44 FGO grundsätzlich ein Einspruchsverfahren nach §§ 347368 AO erforderlich wäre (§ 44 FGO Rz. 3). Unter den hier genannten Voraussetzungen kann anstelle eines Einspruchs bei der Finanzbehörde unmittelbar die finanzgerichtliche Klage erhoben werden (Vor § 1 FGO Rz. 15).

Im AdV-Verfahren nach § 69 FGO ist die Regelung nicht anwendbar (§ 69 FGO Rz. 11).

 

Rz. 2

Zweck der Sprungklage ist es, die Durchführung des zeit- und aufwandintensiven Einspruchsverfahrens ausnahmsweise entfallen zu lassen, wenn nach Ansicht der Behörde (Rz. 18) und des FG (Rz. 24) dessen Kontroll- und Entlastungsaufgabe (§ 44 FGO Rz. 2) erfüllt ist. Durch die Sprungklage kann die "Verböserung" im Einspruchsverfahren nach § 367 Abs. 2 AO[1] nur dann vermieden werden, wenn die Finanzbehörde der Klage zustimmt (Rz. 15).

1.2 Voraussetzungen der Sprungklage

1.2.1 Allgemeines

 

Rz. 3

Die Sprungklage ist keine eigenständige Klageart, sondern es handelt sich – abhängig vom Klageziel (§ 40 FGO Rz. 5, 24) – um eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage gegen einen Verwaltungsakt[1], für den vor der Klageerhebung nach den §§ 347, 348 AO die Durchführung eines Einspruchsverfahrens erforderlich ist (§ 44 FGO Rz. 3). Die Zustimmung der Behörde zur Sprungklage (Rz. 18) und die Nichtabgabe durch das FG (Rz. 25) ersetzen nur das nach § 44 Abs. 1 FGO erforderliche Vorverfahren. Wird die Zustimmung erteilt und die Klage nicht an die Behörde abgegeben, so ist nur die Sachentscheidungsvoraussetzung des erfolglosen Abschlusses des Einspruchsverfahrens (§ 44 FGO Rz. 8) erfüllt.

Die sonstigen Zulässigkeits- oder Sachentscheidungsvoraussetzungen der Klage müssen unabhängig von § 45 FGO erfüllt sein[2]. Liegt eine andere Sachentscheidungsvoraussetzung nicht vor, so ist die Klage unabhängig von § 45 FGO durch Prozessurteil als unzulässig zu verwerfen[3]. Eine Abgabe der Klage nach § 45 Abs. 3 FGO (Rz. 24) darf nicht erfolgen.

 

Rz. 4

Die Sprungklage nach § 45 FGO setzt zwingend voraus, dass ein Verwaltungsakt erlassen worden ist[4]. Eine Klage nach § 46 Abs. 1 FGO auf Erlass eines unterlassenen Verwaltungsakts, der mit dem Einspruch nach § 347 AO anfechtbar wäre, kann nicht als "Untätigkeits-Sprungklage" erhoben werden[5]. Die vor Erlass des Verwaltungsakts erhobene Sprungklage ist unheilbar unzulässig[6]. Dies wird auch durch den nachträglichen Erlass des Verwaltungsakts nicht geheilt[7]. In einem solchen Fall ist für den Rechtsschutz nach § 44 Abs. 1 FGO der Untätigkeitseinspruch (§ 347 Abs. 1 S. 2 AO) als notwendiges Vorverfahren stets erforderlich[8]. Dieser muss jedoch nach § 357 AO eingelegt werden, eine formlose Abgabe nach § 45 Abs. 3 FGO, die die Anhängigkeit des Einspruchs bewirkt (Rz. 23), kommt nicht in Betracht[9]. Die "Untätigkeits-Sprungklage" ist vielmehr durch Prozessurteil kostenpflichtig (Rz. 24a) als unzulässig zu verwerfen.

 

Rz. 4a

Der Inhalt des angefochtenen oder begehrten Verwaltungsakts ist für die Zulässigkeit der Sprungklage unerheblich[10].

 

Rz. 5

Die Klageerhebung bei einer Sprungklage erfolgt in gleicher Weise wie bei einer sonstigen Klage (§§ 64, 65 FGO). Die besondere Bezeichnung als Sprungklage ist nicht erforderlich[11].

Die Sprungklage kann nach § 47 Abs. 2 FGO auch bei der Behörde angebracht werden. Es muss sich jedoch eindeutig um eine Klage handeln (§ 47 FGO Rz. 23). Diese ist im Einzelfall durch Auslegung des bei der Finanzbehörde angebrachten Schriftsatzes zu ermitteln, wobei nicht am buchstäblichen Sinn der Erklärung festzuhalten, sondern auch auf außerhalb der Erklärung liegende Umstände zurückzugreifen ist, die einen Rückschluss auf den erklärten Willen erlauben[12].

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