1 Allgemeines

 

Rz. 1

Der in § 135 Abs. 1 FGO geregelte allgemeine kostenrechtliche Grundsatz, dass der unterliegende Beteiligte die Verfahrenskosten trägt, wird in § 137 FGO durchbrochen, wenn

  • der ganz oder teilweise obsiegende Beteiligte die Entscheidung verzögert oder erschwert, weil er die entscheidungserheblichen Tatsachen verspätet geltend gemacht oder bewiesen hat[1],
  • ein Beteiligter, den nicht nach § 135 Abs. 1 FGO die Kostenpflicht trifft, schuldhaft die Kosten verursacht hat[2],
  • der Kläger im Einspruchsverfahren eine Ausschlussfrist nach § 364b AO zur Abgabe von Erklärungen und Vorlage von Beweismitteln hat verstreichen lassen und das FG gleichwohl diese Erklärungen und Beweismittel nicht zurückweist und seiner Entscheidung zugrunde legt.[3]

Zweck dieser Regelung ist es, einer Prozessverschleppung vorzubeugen und demjenigen, der durch sein Verschulden das Verfahren verzögert oder sonst mutwillig unnötigen Aufwand bei Gericht oder Prozessgegner verursacht, die dadurch entstandenen Kosten aufzuerlegen.

2 Verspätetes Vorbringen (S. 1)

 

Rz. 2

Die Kostenpflicht knüpft in § 137 S. 1 FGO an das verspätete Vorbringen von entscheidungserheblichen Tatsachen an, sodass das Gericht nur dann ermessensfehlerfrei die Kosten dem Obsiegenden auferlegen kann, wenn die Verspätung ursächlich für die Verzögerung des Verfahrens war, die Entscheidung sich also nicht aus anderen Gründen verzögert hat, was heute bei der bekannten Überlastung der FG und des BFH nicht selten der Fall ist.

Die Anwendung des § 137 FGO setzt außerdem das verspätete Vorbringen von Tatsachen, nicht von Rechtsausführungen voraus, denn die rechtliche Würdigung des Streitstoffs ist dem Gericht vorbehalten. Ein "verspätet" eingereichter Schriftsatz, der lediglich Rechtsausführungen enthält, darf das Gericht nicht zur Auferlegung von Kosten nach § 137 FGO veranlassen, wenn ihm im Übrigen alle entscheidungserheblichen Tatsachen vorgelegen haben.[1]

Den Tatsachen gleichgestellt sind verspätet gestellte Anträge und sonstige rechtsgestaltende Willenserklärungen im Besteuerungsverfahren.[2]

Die verspätet vorgebrachte Tatsache muss entscheidungserheblich sein, sodass die zu treffende Entscheidung ganz oder teilweise von ihr abhängt.[3] Hat die Tatsache keinen Einfluss hierauf, wäre die Entscheidung also auch ohne sie nicht anders ausgefallen, ist eine Kostenregelung nach § 137 S. 1 FGO nicht statthaft.

Eine Kostenpflicht trifft den Beteiligten nur bei schuldhaftem Verhalten, wenn dies auch – anders als in § 137 S. 2 FGO – nur mittelbar ausgedrückt wird.[4] Die Formulierung des Gesetzes ("hätte geltend machen können und sollen") lässt einfaches Verschulden genügen.[5] Da jedoch die Kostenentscheidung nach § 137 FGO in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, wird es in aller Regel ermessensgerecht sein, dem obsiegenden Beteiligten die Kosten nur bei grob schuldhaftem Verhalten[6] aufzuerlegen.

Als mutwillig ist es anzusehen, wenn der Kläger weder im Besteuerungs- noch im Einspruchsverfahren die Steuererklärungen abgibt, sodass ihm im Klageverfahren trotz Obsiegens die Kosten aufzuerlegen sind.[7] Ein Verschulden i. S. d. § 137 FGO ist dagegen nicht anzunehmen, wenn der Kläger im Klageverfahren erstmals Aufwendungen geltend macht, die bislang nach höchstrichterlicher Rspr. nicht berücksichtigungsfähig waren.[8]

Auch wenn der Kläger dem FA einen umfangreichen Ordner mit Belegen vorlegt, in dem die entscheidenden Belege nicht besonders gekennzeichnet und die deshalb auch nicht in der Einspruchsentscheidung berücksichtigt worden sind, kommt eine Kostenregelung nach § 137 FGO in Betracht.[9] Andererseits hat das FA die Verfahrenskosten zu tragen, nachdem der Kläger entscheidungserhebliche Beweismittel vorgelegt hat, die er schon im Besteuerungsverfahren angegeben hatte, die aber nicht berücksichtigt worden waren.[10]

Zu berücksichtigen ist auch eine Mitverursachung bzw. ein mitwirkendes Verschulden des unterliegenden Beteiligten, z. B. der Finanzbehörde, wenn sie dem Kläger nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt hat[11] oder ihrer Ermittlungspflicht[12] nicht ausreichend nachgekommen ist. So hat das FA in einem Klageverfahren die Kosten zu tragen, wenn es die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hat, die Schätzung sich aber nicht in vertretbaren Grenzen gehalten hat.[13] Ebenso trifft das FA die Kostenpflicht, wenn es in der Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig ausgeführt hat, dass als Rechtsbehelf die Klage gegeben sei und der Kläger die daraufhin erhobene Klage unverzüglich nach richtiger Belehrung wieder zurücknimmt.[14] Andererseits ist eine Erstattung der Kosten des Vorverfahrens[15] trotz fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung durch den Beklagten ausgeschlossen, wenn dieser Fehler in der Einspruchsentscheidung richtiggestellt wird.[16]

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