Rz. 16

Ist die Wiederaufnahme zulässig, ist zu prüfen, ob ein Wiederaufnahmegrund i. S. d. §§ 579, 580 ZPO tatsächlich vorliegt. Die Aufzählung der Wiederaufnahmegründe ist wegen der außerordentlichen Natur dieses Rechtsbehelfs abschließend. Die Wiederaufnahmegründe können auch nicht im Wege der Analogie auf vergleichbare schwerwiegende Fehler bei der Rechtsfindung ausgedehnt werden. Der Zweck des Gerichtsverfahrens, Rechtsfrieden herzustellen, schließt es aus, über die abschließend aufgezählten Fälle hinaus rechtskräftige Entscheidungen, auch wenn sie möglicherweise Rechtsfehler enthalten, im Prozessweg zu beseitigen. Dementsprechend ist die Wiederaufnahme auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt. Sie dient insbesondere nicht dazu, eine im Ausgangsverfahren bereits beantwortete Rechtsfrage erneut zur Überprüfung zu stellen.[1]

 

Rz. 17

Die Klagegründe bei der Nichtigkeitsklage benennt § 579 Abs. 1 ZPO. Sie betrifft besonders schwerwiegende Verfahrensverstöße. Danach ist die Nichtigkeitsklage gegeben, wenn

  • das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr. 1) – entspricht dem absoluten Revisionsgrund des § 119 Nr. 1 FGO;
  • ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist (Nr. 2) – entspricht § 119 Nr. 2 FGO, 1. Alt.;
  • bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt oder das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war (Nr. 3) – entspricht § 119 Nr. 2 FGO, 2. Alt.;
  • eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat (Nr. 4) – entspricht § 119 Nr. 4 FGO. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs fällt nicht darunter.[2] Der Vertretungsmangel auf der Prozessgegenseite ist unerheblich.

Nach § 579 Abs. 2 ZPO ist die Nichtigkeitsklage subsidiär, wenn in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 und 3 die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte. Dies wird als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens gewertet. Die Nichtigkeitsklage ist daher auch in den anderen Fällen des § 579 Abs. 1 ZPO unzulässig, wenn ein darauf gestütztes Rechtsmittel erfolglos geblieben ist. Sie ist nur zulässig ist, wenn der Nichtigkeitsgrund übersehen, nicht aber, wenn er im Vorprozess schon geprüft und verneint worden ist.[3]

 

Rz. 18

Die Restitutionsgründe sind in § 580 ZPO aufgeführt. Die Restitutionsklage findet statt, wenn

  • der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat[4];
  • eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war[5];
  • bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat[6];
  • das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist[7];
  • ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat[8];
  • das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist[9];
  • die Partei ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil[10] oder eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung kausal herbeigeführt haben würde[11];
  • wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.[12]

In den Fällen der Nr. 1–5 ist die Restitutionsklage aber nur zulässig, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung ergangen ist oder ein Strafverfahren aus anderen Gründen als aus Mangel an Beweisen nicht durchgeführt werden kann, z. B. wegen Tod, Verjährung, Amnestie.[13] Der Vortrag, Beweismittel seien manipuliert worden, genügt daher nicht. Der Beweis der für eine Restitutionsklage angeführten Tatsachen kann nach § 581 Abs. 2 ZPO nicht durch Parteivernehmung geführt werden. Diese Einschränkung ist im Finanzprozess ohne Bedeutung, da die FG den Sachverhalt von Amts wegen erforschen.[14]

Die Restitutionsklage ist nach § 582 ZPO nur subsidiär zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Die schuldlose Verhinderung muss vom Kläger schlüssig dargelegt werden. Auch eine nur leichte Fahrlässigkeit schließt bereits die Restitutionsk...

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