1 Aufschiebende Wirkung

1.1 Allgemeines

 

Rz. 1

Nach § 69 Abs. 1 S. 1 FGO wird durch die Erhebung der Klage zwar die formelle Rechtskraft, nicht aber die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Anders als in anderen Prozessordnungen[1] hat die Einlegung von Rechtsmitteln im Finanzprozess somit keine aufschiebende (hemmende) Wirkung. Gleiches gilt auch für den Einspruch nach § 361 Abs. 1 AO. Der Stpfl. soll sich durch die bloße Einlegung von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln der rechtzeitigen Steuerzahlung nicht entziehen können. Nur bei hinreichender Erfolgsaussicht kann die Vollziehung ausgesetzt werden.[2]

Entsprechend bestimmt § 131 Abs. 1 S. 1 FGO, dass auch die Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen im Regelfall keine aufschiebende Wirkung hat. Der angefochtene Beschluss kann somit vollstreckt und das Verfahren fortgesetzt werden. Die Beschwerde hat insoweit keine Suspensivwirkung. Durch den Ausschluss des Suspensiveffekts wird – über die Vermeidung der Verzögerung der Steuerzahlung hinaus – verhindert, dass Betroffene des gerichtlichen Verfahrens durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen Nebenentscheidungen des FG den Fortgang des Verfahrens behindern oder gar vereiteln.

Nur wenn der Rechtsbehelf hinreichende Erfolgsaussicht hat, kann im Wege der Aussetzung der Vollziehung durch das FG ein Aufschub erreicht werden (Abs. 1 S. 2).

Liegt keiner der in § 131 FGO genannten Ausnahmefälle vor, z. B. bei der Beschwerde gegen eine Beiladung oder gegen die Zurückweisung eines Prozessbevollmächtigten, hat die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung.[3] Die nach Abs. 1 S. 1 geltende aufschiebende Wirkung wird durch Abs. 2 wieder teilweise eingeschränkt (s. Rz. 4).

 

Rz. 2

Abs. 1 lässt hiervon zwei Ausnahmen zu. Danach hat die Beschwerde aufschiebende Wirkung, wenn

  • sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat (Abs. 1 S. 1). Die aufschiebende Wirkung tritt (automatisch) mit Einlegung der Beschwerde ein;
  • das FG, der Vorsitzende oder der Berichterstatter die aufschiebende Wirkung ausdrücklich anordnet (Abs. 1 S. 2). Hier tritt die aufschiebende Wirkung erst mit der entsprechenden richterlichen Entscheidung ein; bis dahin besteht kein Suspensiveffekt, sodass die angefochtene Entscheidung ohne Weiteres vollzogen werden kann.

In beiden Fällen tritt die Aussetzung mit der Entscheidung über die Beschwerde ohne einen besonderen Beschluss außer Kraft, außer es wäre im zweiten Fall ausdrücklich eine kürzere Befristung verfügt worden.

Abs. 2 betrifft sitzungspolizeiliche Maßnahmen innerhalb und außerhalb der mündlichen Verhandlung. Damit wird der Suspensiveffekt nach Abs. 1 S. 1 teilweise wieder außer Kraft gesetzt (Rz. 4).

1.2 Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels (Abs. 1 S. 1; Abs. 2)

 

Rz. 3

Ordnungs- und Zwangsmittel nach Abs. 1 S. 1 während des Verfahrens können sein:

  • Ordnungsgeld gegen schuldhaft ausgebliebene Beteiligte, deren persönliches Erscheinen angeordnet war[1];
  • Ordnungsgeld oder Ordnungshaft gegen nicht erschienene, nicht aussagebereite oder nicht eideswillige Zeugen und Sachverständige wegen Verweigerung des Gutachtens[2];
  • Ordnungsgeld gegen einen Sachverständigen, der die Frist zur Erstattung des schriftlichen Gutachtens versäumt hat[3];
  • Ordnungsgeld gegen einen unentschuldigt nicht zur Sitzung erschienenen oder sich auf andere Weise seinen Verpflichtungen entziehenden ehrenamtlichen Richter[4];
  • Ordnungsmaßnahmen nach § 52 Abs. 1 FGO i. V. m. §§ 176ff. GVG, die auch nicht am Verfahren Beteiligte betreffen können (sitzungspolizeiliche Maßnahmen wie Entfernen von Personen aus dem Sitzungszimmer, Ordnungsgeld und Ordnungshaft zur Aufrechterhaltung der Ordnung).
 

Rz. 4

Nach Abs. 2 bleiben §§ 178, 181 Abs. 2 GVG unberührt.

§ 178 GVG betrifft sitzungspolizeiliche Maßnahmen wegen ungebührlichen Verhaltens "in der Sitzung", d. h. in der mündlichen Verhandlung (Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft). Diese müssen zur Aufrechterhaltung der Ordnung sofort vollstreckbar sein, was der Vorsitzende unmittelbar zu veranlassen hat[5]. Deshalb bestimmt § 181 Abs. 2 GVG, dass die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat. Dadurch kann die Vollstreckung unmittelbar durchgesetzt werden. Zwar bezieht sich § 178 GVG lediglich auf die Verhängung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft. § 181 Abs. 2 GVG ist jedoch auf gerichtliche Beschlüsse nach § 177 GVG, der die Entfernung aus dem Sitzungszimmer betrifft, entsprechend anwendbar.

Das bedeutet: Da bereits nach § 181 Abs. 2 GVG in den Fällen der §§ 177, 178 GVG, d. h. bei Ordnungsmaßnahmen in der Sitzung (mündliche Verhandlung), die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, betrifft die Regelung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde in § 131 Abs. 1 S. 1 FGO im Ergebnis nur die Ordnungs- und Zwangsmittel eines einzelnen Richters bei der Vornahme von Amtshandlungen außerhalb der mündlichen Verhandlung, z. B. Entfernung eines Beteiligten aus dem Sitzungszimmer anlässlich eines Erörterungs...

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