Rz. 1

Wie im Einspruchs- und Klageverfahren kann die Finanzbehörde auch noch im Revisionsverfahren den angefochtenen Verwaltungsakt – ggf. auch zuungunsten des Klägers – ändern, wenn dies aufgrund einer Korrekturvorschrift zugelassen ist[1]. Dies gilt unabhängig davon, wer Revision eingelegt hat[2].

§ 68 FGO gilt auch im Revisionsverfahren. Nach der Neufassung durch das 2. FGOÄndG ab 2001 wird ein Korrekturbescheid automatisch, d. h. ohne Antragstellung, Gegenstand des Verfahrens. Dies gilt auch bei einem erst im Revisionsverfahren ergangenen Änderungsbescheid. Dieser wird ohne besonderen Antrag im Weg der gesetzlichen Klageänderung – insoweit abweichend von § 123 Abs. 1 FGO – Gegenstand des anhängigen Revisionsverfahrens[3]. Der Austausch des angefochtenen Verwaltungsakts führt zu einer Änderung des Streitgegenstands der Revision. Verfahrensgegenstand des Revisionsverfahrens ist nunmehr der geänderte Verwaltungsakt[4]. Für die Überprüfung des ursprünglichen Bescheids und der Einspruchsentscheidung besteht kein Rechtsschutzinteresse mehr. Ein Einspruchsverfahren gegen den neuen Bescheid ist ausgeschlossen[5].

§ 127 FGO sieht für diese Prozesssituation – als Sondervorschrift gegenüber § 126 Abs. 3 FGO – die Befugnis des BFH vor, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

 

Rz. 2

Der Hinweis auf § 123 S. 2 FGO beruht auf der Rechtslage vor 2001 und ist jetzt gegenstandslos. Nach § 123 S. 2 a. F. FGO blieb § 68 FGO unberührt, d. h. er galt auch im Revisionsverfahren. Mit der Änderung des § 123 a. F. durch das 2. FGOÄndG ab 2001 wurde S. 2 a. F. gestrichen, da aufgrund der Neufassung des § 68 FGO der neue Verwaltungsakt kraft Gesetzes (automatisch) Gegenstand des Verfahrens wird. Der Gesetzgeber hat es versäumt, in § 127 FGO den Verweis auf § 123 S. 2 FGO zu streichen[6].

 

Rz. 3

Die Regelung dient dem Schutz des Revisionsklägers. Ebenso wie das Klageverfahren soll auch das Revisionsverfahren nicht dadurch beendet und der Kläger zur Durchführung eines neuen Verfahrens gegen den Änderungsbescheid gezwungen werden, dass das FA während des Verfahrens einen Änderungsbescheid erlässt. Der Kläger kann somit nicht durch den Erlass eines Änderungsbescheids aus dem Verfahren gedrängt werden. Mit dem Erlass des Änderungsbescheids ist der ursprüngliche, d. h. der angefochtene, Bescheid gegenstandslos geworden. Damit kann auch das FG-Urteil, das über diesen Bescheid entschieden hatte, nicht bestehen bleiben. Es ist vom BFH aufzuheben[7]. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der neue Bescheid. Dem Kläger entsteht dadurch kein Rechtsverlust. Zwar kann der BFH keine neuen Tatsachenfeststellungen treffen. Wenn solche jedoch erforderlich werden, muss der BFH die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückverweisen.

 

Rz. 4

Ob der BFH selbst entscheiden kann oder an das FG zurückverweisen muss, entscheidet sich danach, ob die Sache spruchreif ist (Rz. 10). Da der BFH keine Tatsachenfeststellung oder -würdigung vornehmen darf, kann er nur bei Spruchreife, d. h. wenn die vom FG festgestellten Tatsachen eine Prüfung des geänderten Bescheids zulassen, in der Sache entscheiden. Andernfalls muss er an das FG zurückverweisen. Der Rechtsschutz ist daher durch die Einführung des neuen Bescheids in das Verfahren nicht beeinträchtigt.

Damit dem BFH die veränderte Prozesssituation nicht unbekannt bleibt, muss das FA den neuen Verwaltungsakt dem BFH übermitteln[8].

 

Rz. 5

Nicht anwendbar ist § 127 FGO, wenn Gegenstand des Verfahrens lediglich die Einspruchsentscheidung ist, nicht der ursprüngliche Verwaltungsakt. Ergeht später ein Änderungsbescheid, wird die Einspruchsentscheidung durch diesen nicht geändert oder ersetzt i. S. v. § 68 FGO[9].

 

Rz. 6

Die Aufhebung des FG-Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das FG setzen voraus, dass die Revision zulässig ist. Etwaige Zulässigkeitsmängel können nicht durch den Austausch des Verfahrensgegenstands nach § 68 FGO behoben werden[10]. Der Änderungsbescheid wird nur dann nach § 68 FGO Verfahrensgegenstand, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Revision gegeben sind. Bei Unzulässigkeit ist die Revision nach § 124 Abs. 1 FGO ohne Weiteres zu verwerfen.

Bei Zweifeln an der Zulässigkeit der Revision ist daher zweckmäßigerweise gegen den Änderungsbescheid Einspruch einzulegen, um diesen keinesfalls bestandskräftig werden zu lassen.

Hat das FA mit dem Änderungsbescheid dem Klagebegehren in vollem Umfang stattgegeben, ist die Revision wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unzulässig geworden. Da der Änderungsbescheid zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist, ist auch das finanzgerichtliche Urteil, das den ursprünglichen Bescheid betraf, gegenstandslos geworden. Die Aufhebung des FG-Urteils und die Zurückverweisung an das FG ist dann ausgeschlossen[11].

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