Rz. 6

Das BMF bzw. die oberste Landesbehörde kann dem Revisionsverfahren beitreten, soweit Bundesrecht bzw. Landesrecht oder eine von den Landesfinanzbehörden verwaltete Abgabe streitig ist. Soweit bundesrechtliche Abgaben von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, steht das Beitrittsrecht sowohl dem BMF als auch der obersten Landesbehörde zu. Die Vorschrift soll diesen Behörden die Möglichkeit geben, sich jederzeit in ein anhängiges Verfahren über eine Revision einzuschalten und entscheidungserhebliche Gesichtspunkte geltend zu machen.[1] Dadurch soll das über den Einzelfall hinausgehende Interesse dieser Stellen am Ausgang des jeweiligen Verfahrens berücksichtigt und dem BFH z. B. Material verschafft werden, das ihm sonst nicht zugänglich wäre.[2]

Durch das Beitrittsrecht wird es der obersten Behörde ermöglicht, unmittelbar in das Revisionsverfahren einzugreifen. Ohne diese Möglichkeit müsste das Ministerium den umständlicheren Weg beschreiten und sich die notwendigen Informationen über das Verfahren vom beteiligten FA besorgen und dieses umgekehrt wieder anweisen, den Standpunkt des Ministeriums gegenüber dem BFH vorzutragen.

Der Beitritt anderer Ministerien, Behörden oder Organisationen (z. B. des BMJ, der Bundessteuerberaterkammer oder von Verbänden), die ebenfalls am Ausgang des Verfahrens interessiert sein könnten, ist unzulässig.[3] Bei Bedarf holt sich das BMF die erforderlichen Informationen von anderen Stellen ein und trägt deren Rechtsstandpunkt vor. Dem Beitritt steht nicht entgegen, dass das BMF seine formale Beteiligtenstellung dazu benutzt, die Rechtsauffassung einer nicht beitrittsberechtigten Institution vorzutragen.[4] Allerdings ist der Vortrag des Beigetretenen zurückzuweisen, soweit er sich das Anliegen des Dritten nicht selbst zu eigen macht, sondern unverändert und ohne eigene Meinung wiedergibt.

Der BFH hat jedoch die Möglichkeit, von solchen Institutionen – ähnlich wie auch das BVerfG – Stellungnahmen und Auskünfte einzuholen. Davon macht der BFH selten Gebrauch.[5] Rechtsgrundlage ist § 86 Abs. 1 FGO.

 

Rz. 7

Die Aufforderung zum Beitritt trifft der Senat (nicht der Vorsitzende allein) in der Besetzung von 5 Richtern durch Beschluss.[6] Er wird regelmäßig mit Gründen und häufig mit gezielten Fragen versehen.[7] Regelmäßig wird auch eine Frist für den Beitritt gesetzt, um Klarheit über den weiteren Verfahrensablauf zu gewinnen[8]; ggf. wird eine detaillierte Stellungnahme zu bestimmten entscheidungserheblichen Fragen angefordert.[9] Da es sich regelmäßig um allgemein interessierende Verfahren handelt, werden die Aufforderungsbeschlüsse häufig mit ihrer Begründung veröffentlicht.

Eine Verpflichtung zum Beitritt oder zu einer Stellungnahme besteht jedoch nicht.[10] Sie steht im Ermessen der beitrittsberechtigten Behörde ("kann") und ist unabhängig von einer etwaigen Beitrittsaufforderung durch den BFH.[11] Eine zunächst abgegebene Erklärung, vom Beitritt abzusehen, steht der Wirksamkeit einer späteren Beitrittserklärung nicht entgegen. Die für einen Rechtsmittelverzicht geltenden Grundsätze sind auf den Verzicht des Beitritts nicht anwendbar.[12] Der Beitrittsbeschluss wird i. d. R. veröffentlicht; dabei wird gelegentlich von der Veröffentlichung detaillierter Gründe abgesehen.[13]

Das Ministerium braucht seine Entscheidung zum Beitritt oder ein Absehen davon nicht zu begründen. Auf den Beitritt gibt das Ministerium regelmäßig eine detaillierte Stellungnahme ab, die den anderen Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gegeben wird.

 

Rz. 8

Der Aufforderungsbeschluss ist nicht anfechtbar. Die bisher am Verfahren Beteiligten haben auf das Beitrittsverfahren keinen Einfluss und können den Beitritt daher nicht verhindern. Sie können lediglich einen Aufforderungsbeschluss bzw. das Absehen von einer Aufforderung anregen.

In geeigneten Fällen sieht der BFH von einem Aufforderungsbeschluss ab und entscheidet sogleich in der Sache durch Gerichtsbescheid, der dem BMF mit der Bitte um Prüfung der Zweckmäßigkeit eines Verfahrensbeitritts gesondert zugestellt wird.[14] Dieses Verfahren hat für alle Beteiligten den Vorteil, dass sie bereits die gegenwärtige Auffassung des Senats erfahren. In diesem Fall erfordert der Beitritt außer der Beitrittserklärung zusätzlich einen (fristgerechten) Antrag auf mündliche Verhandlung durch den beschwerten Verfahrensbeteiligten gegen den Gerichtsbescheid. Anderenfalls erstarkt der Gerichtsbescheid zum rechtskräftigen Urteil.[15]

Auch ohne einen Aufforderungsbeschluss kann die beitrittsberechtigte Behörde von sich aus den Beitritt erklären. Ebenso kann eine Aufforderung oder ein Anheimstellen des Verfahrensbeitritts ohne förmlichen Beschluss durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter völlig formlos erfolgen. Ebenso kann jeder Verfahrensbeteiligte den Beitritt des Ministeriums anregen. Ob die Behörde von ihrem Beitrittsrecht Gebrauch macht, steht ganz in ihrem Ermessen.

 

Rz. 9

Damit die obersten Finanzbehörden ihr Beitrittsrecht wahrnehmen können, sind die FÄ angewiesen, übe...

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