Rz. 40

Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das FG, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen (sog. Beachtenspflicht). Ein Fehlen der Entscheidungsgründe i. S. d. § 119 Nr. 6 FGO liegt daher nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, weil das FG seine Feststellungen und rechtlichen Überlegungen nicht kundgetan hat.[1]

Das ist jedenfalls der Fall, wenn jegliche Begründung fehlt[2], was praktisch nicht vorkommen dürfte. § 119 Nr. 6 FGO ist auch verletzt, wenn nur ein Teil der wesentlichen Gründe fehlt.[3] Es muss sich dann aber um grobe Fehler handeln[4], z. B. wenn das FG einen selbstständigen Klageantrag mit Stillschweigen übergeht.[5] Es genügt, wenn den Beteiligten zumindest für einen wesentlichen Streitpunkt die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen.[6] Bei nur z. T. fehlenden Entscheidungsgründen setzt eine Verletzung der Begründungspflicht grobe Mängel in einem Ausmaß voraus, dass die fixierten Entscheidungsgründe zum Nachweis der Rechtmäßigkeit des Urteilsspruchs schlechterdings ungeeignet erscheinen und den Beteiligten keine (hinlängliche) Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Erwägungen das Urteil beruht.[7] Das liegt jedenfalls nicht vor, wenn noch zu erkennen ist, welche Überlegungen für das FG maßgeblich waren.[8]

 

Rz. 41

Ein Fehlen der Gründe liegt immer vor, wenn das FG in den Entscheidungsgründen einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergeht[9] bzw. einen eigenständigen Klagegrund, der den Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bildet, unerörtert lässt und überhaupt nicht berücksichtigt.[10] Eine Darstellung im Urteilstatbestand genügt nicht.[11] Unter selbständigen Ansprüchen und selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmitteln sind die eigenständigen Klagegründe und solche Angriffs- und Verteidigungsmittel zu verstehen, die den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bilden[12], insbes. Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden.[13]

Am Übergehen eines selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmittels fehlt es jedoch, wenn sich der Kläger zu dem betreffenden Merkmal überhaupt nicht geäußert und die Frage nicht problematisiert hat.[14] § 119 Nr. 6 FGO ist nur dann einschlägig, wenn die Frage, die das FG übergangen haben soll, einen wesentlichen Streitpunkt vor dem FG gebildet hat. Der Rechtsmittelführer muss sich bereits vor dem FG auf den nunmehr vorgebrachten Standpunkt berufen haben.[15]

Ebenso fehlen die Gründe, wenn sie keine Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen und Erkenntnissen (Sachverhalt) die Entscheidung beruht oder auf welche rechtlichen Erwägungen sie gegründet ist[16], wenn die Entscheidungsgründe missverständlich oder verworren sind[17] bzw. nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen[18] oder so substanzlos sind, dass die maßgeblichen Feststellungen und Erwägungen des FG nicht erkennbar sind.[19] Der Revisionsgrund setzt demnach so grobe Begründungsmängel voraus, dass die Urteilsgründe schlechterdings ungeeignet sind, also insbesondere nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt oder auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt.[20] Das ist z. B. der Fall, wenn das FG lediglich ausführt, es liege eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, ohne die Feststellungen wiederzugeben, aus denen sich nachvollziehen lässt, warum der Beteiligte den subjektiven Tatbestand verwirklicht hat.[21]

Dies gilt auch dann, wenn das FG einen bestimmten Sachverhaltskomplex unberücksichtigt gelassen hat bzw. nicht feststellbar ist, ob er vom FG überhaupt erwogen worden ist.[22]

Kein Fehlen der Gründe liegt jedoch vor, wenn – im Ausnahmefall – das übergangene Angriffs- oder Verteidigungsmittel zur Begründung oder zur Abwehr des Angriffs ungeeignet war und eine erneute Entscheidung des FG daher zu einer Bestätigung seines Urteils führen könnte.[23]

 

Rz. 42

Das Fehlen der Gründe ist abzugrenzen von einer nicht vorbildlichen, d. h. kurzen, lückenhaften oder auch fehlerhaften (nicht überzeugenden) Begründung, die keinen absoluten Revisionsgrund bildet.[24] Die, wenn auch knappe, Begründung muss – ausgehend von der Rechtsauffassung des FG – den logisch nachvollziehbaren Nachweis der Rechtmäßigkeit des Ausspruchs der Urteilsformel erbringen[25], und zwar mindestens in Bezug auf einen der wesentlichen Streitpunkte.[26] Unwesentliche oder neben der Sache liegende Rechtsfragen brauchen nicht abgehandelt zu werden.[27]

Nicht jedes Vorbringen der Beteiligten muss im Einzelnen erörtert werden.[28] Es genügt jedenfalls, wenn noch zu erkennen ist, welche Überlegungen für d...

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