Rz. 27

Der BFH ist bei seiner Revisionsentscheidung an die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen FG-Urteil – regelmäßig im Tatbestand – gebunden, d. h., er darf seiner Entscheidung nur diese Tatsachen zugrunde legen und kann vom FG nicht festgestellte Tatsachen, die beim Erlass des FG-Urteils bereits vorhanden waren, d. h. neues tatsächliches Vorbringen nicht berücksichtigen[1], unabhängig davon, ob es für die Beteiligten günstig oder ungünstig ist.[2]

Auch Tatsachen, die erst während des Revisionsverfahrens entstanden sind und dem FG somit gar nicht zugänglich waren (nachträgliche Tatsachen), darf der BFH grundsätzlich nicht zugrunde legen.[3]

Rechtsfragen, die sich nur stellen können, wenn von einem anderen als vom FG festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, können im Revisionsverfahren daher nicht geklärt werden.[4]

Neues tatsächliches Vorbringen ist ausnahmsweise zu berücksichtigen, wenn die Tatsachen erst aufgrund einer im Revisionsverfahren zu berücksichtigenden Rechtsänderung oder aufgrund einer vom FG abweichenden Rechtsauffassung des BFH Bedeutung bekommen haben oder deren Beachtung im Weg einer Wiederaufnahmeklage durchgesetzt werden könnte.[5]

Die Tatsachenbindung gilt auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren.[6] Die Unbeachtlichkeit neuen Tatsachenvortrags gilt entsprechend im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung im Stadium des Nichtzulassungs- oder Revisionsverfahrens.[7]

 

Rz. 27a

Tatsächliche Feststellungen sind in allen Ausführungen des FG enthalten, die eine Aussage zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt treffen. Dazu gehören grundsätzlich auch die Tatsachen, die das FG als unstreitig angesehen hat.[8]

Der maßgebliche Sachverhalt muss nicht ausnahmslos im Tatbestand des FG-Urteils enthalten sein. Tatsächliche Feststellungen können sich auch in den Entscheidungsgründen befinden[9] und auch in der Kostenentscheidung.[10]

Tatsächliche Feststellungen können auch in Schriftstücken enthalten sein, auf die das FG ausdrücklich, d. h. durch genaue Bezeichnung mit Datum oder Blattzahl, Bezug nimmt[11] und die sich tatsächlich in den Akten befinden.[12] Mit der Bezugnahme gilt der gesamte Inhalt des betreffenden Schriftstücks als festgestellt.[13] Das kann z. B. auch ein in den Akten befindliches Foto sein.[14] Bei umfangreichen Schriftsätzen oder Verträgen muss auch die genaue Stelle angegeben sein. Die von den FG am Ende des Tatbestands gelegentlich eingefügte pauschale Bezugnahme auf den Inhalt sämtlicher dem Gericht vorliegenden Akten bzw. auf die gewechselten Schriftsätze genügt allerdings nicht. Auch das Parteivorbringen unterliegt der Beurteilung durch den BFH nur, soweit es sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt.[15]

 

Rz. 28

Mit der Bezugnahme oder Verweisung auf die angefochtenen Steuerbescheide gelten auch die in ihnen unstreitig angesetzten Besteuerungsgrundlagen als festgestellt.[16] Dabei braucht das Wort "Bezugnahme" nicht verwandt zu werden, es genügt die tatsächliche Erwähnung derartiger Schriftstücke.[17]

 

Rz. 29

Aus der Funktion des BFH, das angefochtene Urteil auf mögliche Rechtsverletzungen des FG zu überprüfen, folgt, dass der BFH seiner Beurteilung grundsätzlich nur die Tatsachen zugrunde legen darf, die für die Rechtsfindung des FG tragend waren. Aus Gründen der Prozessökonomie ist es indes gerechtfertigt, für die Revisionsentscheidung auch in dem FG-Urteil enthaltene nicht tragende tatsächliche Feststellungen heranzuziehen, soweit sie vom FG eindeutig zur Entscheidungsgrundlage gemacht worden wären, wenn es auf den anderen, vom BFH als entscheidungserheblich angesehenen rechtlichen Gesichtspunkt abgestellt hätte. Deshalb nehmen die FG gelegentlich Sachverhalte in den Urteilstatbestand auf, die sie nicht für entscheidungserheblich halten, aber dem BFH, falls er nicht auf den vom FG herausgestellten Gesichtspunkt abstellt, gleichwohl eine Entscheidung zu ermöglichen.

Grundsätzlich darf der BFH fehlende entscheidungserhebliche Feststellungen nicht aus den Akten ergänzen, wenn das FG nicht ausdrücklich oder zumindest konkludent darauf Bezug genommen hat.[18] Zur Prüfung der Frage der Verjährung nach einer Außenprüfung können die in den Akten befindlichen Daten der Bp und der Bekanntgabe der geänderten Bescheide zumindest dann der Entscheidung des BFH zugrunde gelegt werden, wenn die Beteiligten Gelegenheit hatten, zu diesem Sachverhalt Stellung zu nehmen, und er zwischen ihnen unstreitig ist.[19]

Hiervon ausgehend hat der VI. Senat des BFH als Gegenstand tatsächlicher Feststellung i. S. d. § 118 Abs. 2 FGO den Steuerbescheid, die Einspruchsentscheidung sowie die ihnen zugrunde liegende Steuererklärung nebst Anlagen, ferner den Inhalt eines Bp-Berichts, auf den der Bescheid und die Einspruchsentscheidung Bezug nehmen, angesehen, selbst wenn das Urteil des FG sie nicht ausdrücklich erwähnt, diese Schriftstücke aber ohne Weiteres Voraussetzung und Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens waren.[20] Demgegenüber hat der I. Senat ausdrücklich offengelassen,...

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