Rz. 53

Voraussetzung für die Revisionszulassung ist, dass der Verfahrensmangel zum einen auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG und zum anderen aus der Sicht des BFH für die Entscheidung erheblich ist, d. h., der Verfahrensmangel muss für die Entscheidung kausal gewesen sein.[1] Dies ist nur dann der Fall, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre, wenn es sich also um Gründe handelt, die nicht hinweggedacht werden können, wenn die Entscheidung Bestand haben soll.[2] Der Verfahrensmangel muss dem FG tatsächlich unterlaufen sein.[3] Er muss insoweit kausal für die FG-Entscheidung geworden sein, als die getroffene Entscheidung tatsächlich davon beeinflusst worden sein kann.[4]

Daran fehlt es z. B. bei der Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist für die Urteilsübergabe bzw. des unterschriebenen Tenors an die Geschäftsstelle.[5] Kausalität liegt immer dann vor, wenn die Möglichkeit einer anderen Entscheidung – nicht notwendig eines sachlich günstigeren Ergebnisses – besteht[6], d. h. wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das FG ohne den Verfahrensfehler zu einem günstigeren Ergebnis gelangt wäre.[7]

Die Kausalität des Verfahrensmangels wird nicht dadurch beseitigt, dass sich das FG des Verfahrensverstoßes nicht bewusst war. Entscheidend ist der objektive Verstoß gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts. Bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds i. S. v. § 119 FGO wird die Kausalität grundsätzlich unwiderleglich vermutet[8], z. B. wenn das FG-Urteil nicht mit ausreichenden Gründen versehen ist.[9]

 

Rz. 54

Entscheidungserheblichkeit ist nicht gegeben, wenn der Verfahrensfehler die Entscheidung nicht beeinflusst haben kann, weil sich diese mit einer weiteren Begründung des FG aufrechterhalten lässt bzw. wenn sicher ist, dass auch bei korrekter Verfahrensweise nicht anders entschieden worden wäre. Dabei ist ausschließlich von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen, wie sie sich aus dem Urteil ergibt, unabhängig davon, ob der Rechtsstandpunkt des FG sachlich richtig oder falsch ist.[10] Subjektive Wertungen der beteiligten Richter sind unerheblich. Hat z. B. das FG von einer Zeugenvernehmung abgesehen, weil es nach seinem materiell-rechtlichen Standpunkt auf die zum Beweis gestellten Tatsachen nicht ankommen konnte, hat das FG nicht gegen Verfahrensrecht verstoßen, auch wenn nach zutreffender materiell-rechtlicher Wertung die Tatsache entscheidungserheblich gewesen wäre.

Die materiell-rechtliche Auffassung des FG ist nur dann unmaßgeblich, wenn auch dagegen zulässige und begründete Rügen vorgetragen worden sind.[11]

 

Rz. 55

Hat das FG sein Urteil doppelt oder mehrfach in der Weise (kumulativ) begründet, dass jeder der mehrfachen rechtlichen Gesichtspunkte das Urteil selbstständig trägt, kann die Entscheidung nur dann auf einem Verfahrensmangel beruhen, wenn hinsichtlich jeder Begründung ein Verfahrensmangel gegeben ist.[12] Wird nur eine der mehreren (tragenden) Begründungen angegriffen, kann das Urteil nicht auf diesem Mangel beruhen[13]; anders bei alternativer Begründung. Das zur grundsätzlichen Bedeutung Ausgeführte gilt entsprechend (Rz. 38).

 

Rz. 56

Auch wenn ein Verfahrensfehler des FG vorliegt, ist die Revision in analoger Anwendung von § 126 Abs. 4 FGO gleichwohl nicht zuzulassen, wenn sich die Entscheidung (nach der Auffassung des BFH) im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig erweist.[14] Die Erfolgsaussichten der künftigen Revision sind hier – anders als z. T. bei Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz (Rz. 15f., 39) – zu berücksichtigen.[15] Der Grund dafür liegt darin, dass bei der Revisionszulassung wegen Verfahrensmängeln – anders als bei den beiden anderen Zulassungsgründen – nicht das Allgemeininteresse an der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung im Vordergrund steht, sondern das individuelle Interesse des Beteiligten an einer zutreffenden Entscheidung des konkreten Streitfalls. Im Interesse der Prozessökonomie soll verhindert werden, dass eine Revision zugelassen wird, von der ohnehin feststeht, dass sie im Ergebnis keinen Erfolg haben kann. Das kann aber nur gelten, wenn es unter keinem denkbaren Gesichtspunkt auf die gerügten Umstände ankommen kann.[16]

Dass die Kostenentscheidung anders ausfallen könnte (Auferlegung der Partei statt dem vollmachtlosen Vertreter), rechtfertigt nicht die ausnahmsweise Nichtanwendung des § 126 Abs. 4 FGO.[17]

Bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes i. S. v. § 119 Nr. 16 FGO wird die Kausalität des Verfahrensmangels unwiderleglich vermutet. Auf die Feststellung der Entscheidungskausalität kommt es nicht an. Der absolute Revisionsgrund führt ohne weitere Prüfung zur Zurückverweisung des Verfahrens an das FG nach § 116 Abs. 6 FGO.[18] Wie im Revisionsverfahren ist die Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO grundsätzlich ausgeschlossen.[19]

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