Rz. 28

Divergenz setzt voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts (Rz. 26) abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann, dass eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist und dass die vom FG abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann.[1]

Eine Abweichung liegt nur dann vor, wenn das FG in einer entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der BFH, das BVerfG, der GmS-OGB, ein anderes oberstes Bundesgericht, ein FG oder ein Gericht eines anderen Gerichtszweigs.[2] Davon ist nur auszugehen, wenn das FG einen abweichenden, d. h. anderen oder unrichtigen Rechtssatz aufgestellt hat, nicht aber, wenn es einen vom BFH aufgestellten Rechtssatz lediglich übersehen oder unrichtig angewandt hat.[3] Keine Abweichung liegt daher vor, wenn das FG Rechtssätze des BFH wiederholt und damit seiner Entscheidung zugrunde legt.[4] Das gilt auch dann, wenn es diese unrichtig auf den Streitfall angewandt hat.[5] Es liegt dann zwar ein materieller Fehler vor, aber keine Divergenz.[6] Ebenso, wenn das FG zwar den vom BFH aufgestellten Rechtssätzen folgt, diese aber auf die Besonderheiten des Streitfalls fehlerhaft anwendet.[7]

Eventuelle Fehler oder Abweichungen in der Würdigung von Tatsachen begründen keine Divergenz. Kommt es auf die besonderen Umstände des Falls an, kann aus der Abweichung von Entscheidungen anderer Gerichte, die sich ebenfalls mit den Besonderheiten des Einzelfalls befassen, keine Divergenz hergeleitet werden. Ebenso liegt keine Divergenz vor, wenn FG und BFH lediglich im Ergebnis der Entscheidung voneinander abweichen, aber keine divergierenden Rechtssätze aufstellen.

Deshalb liegt eine Abweichung nur vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit einem ebenfalls tragenden abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des anderen Gerichts (insbes. BFH) nicht übereinstimmt.[8] Die Rechtssätze müssen sich aus den schriftlichen Urteilsgründen ergeben. Nicht maßgeblich sind die aus redaktionellen Gründen vorangestellten Leitsätze, auch wenn sie von den beteiligten Richtern formuliert wurden. Auch auf die mündliche Urteilsbegründung im Anschluss an die Verkündung des Urteilstenors kann die Divergenz nicht gestützt werden, ebenso wenig auf die Äußerung eines Richters zum Inhalt der Entscheidung im Schrifttum oder in der mündlichen Urteilsbegründung.

Ein abstrakter Rechtssatz i. d. S. muss nicht in der Art eines Leitsatzes in den Urteilsgründen formuliert sein; er kann sich auch aus scheinbar nur fallbezogenen Ausführungen ergeben[9]; der in diesem Fall nur konkludent formulierte Rechtssatz muss sich aber hinreichend deutlich aus dem gedanklichen Zusammenhang der Entscheidungsgründe entnehmen lassen.[10] Keine Divergenz liegt vor, wenn das FG bzw. das andere Gericht lediglich Zweifel hinsichtlich der Gültigkeit eines Rechtssatzes äußert oder einen Rechtssatz mit anderer Begründung aufrechterhält.

Die Rechtsfrage muss zumindest stillschweigend entschieden worden sein.[11] Die Rechtssätze können aus Entscheidungen zu verschiedenen Gesetzen oder Gesetzesfassungen hergeleitet werden, sofern der jeweiligen Gesetzeslage der gleiche Rechtsgrundsatz zugrunde liegt.[12]

Da in dem Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde keine Rechtsfragen entschieden werden, scheiden Beschlüsse, die in diesem Verfahren ergangen sind, als Divergenzentscheidungen grundsätzlich aus.[13] Lediglich in zurückverweisenden Beschlüssen nach § 116 Abs. 6 FGO kommt es zur Entscheidung über Verfahrensfragen.[14]

 

Rz. 29

Keine Abweichung liegt vor, wenn das FG im Einzelfall eine unrichtige Entscheidung getroffen hat, indem es einen vom BFH aufgestellten Rechtssatz unrichtig angewandt, übersehen oder missverstanden hat.[15] Die bloße Nichtanwendung oder fehlerhafte Anwendung einer Vorschrift des materiellen Rechts auf einen dem FG bekannten Sachverhalt stellt lediglich einen materiell-rechtlichen Fehler ("schlichter" Rechtsanwendungsfehler) dar, der für sich allein keine Abweichung begründet.[16] Ein Subsumtionsfehler genügt daher nicht.[17] Denn die Divergenzrevision dient lediglich dazu, Rechtsprechungsdivergenzen zu beseitigen, nicht aber dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.[18]

Auch die bloße Würdigung des Sachverhalts und die Beurteilung der festgestellten Tatsachen können keine Abweichung begründen.[19] Keine Abweichung ist auch gegeben, wenn das FG lediglich aufgrund der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu einem von einer bestimmten BFH-Entscheidung abweichenden Ergebnis gelangt ist.[20] Ebenso wird durch eine abweichende Würdigung der tatsächlichen ...

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