Rz. 39

Die Anfechtungsklage greift als Gestaltungsklage insofern gestaltend in die Rechtslage ein, dass bei Klageabweisung der angefochtene Verwaltungsakt bestandskräftig wird. Bei Klagestattgabe wird der angefochtene Verwaltungsakt dagegen aufgehoben mit der Folge, dass der vor Erlass des Verwaltungsakts bestehende Rechtszustand wieder eintritt. Ob und ggf. was an die Stelle des aufgehobenen Verwaltungsakts treten kann, ergibt sich aus dem Urteilstenor nicht. Es ist jedoch regelmäßig aus den Urteilsgründen zu entnehmen. Man unterscheidet daher zwischen der echten und der unechten Kassation. Die echte Kassation beschränkt sich auf die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts. Sie enthält keine darüber hinausgehende Regelung. Das ist der Fall, wenn ein Verwaltungsakt etwa aufgehoben wird, weil die sachlich unzuständige Behörde entschieden hat. Damit ist diese rechtswidrige Regelung kassiert. Ob und mit welchem Inhalt die zuständige Behörde etwas Entsprechendes regeln kann, ist damit nicht abschließend entschieden[1]. Von unechter Kassation dagegen spricht man, wenn mit der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts gleichzeitig endgültig über die in Rede stehende Rechtslage entschieden wird. Das ist der Fall, wenn etwa ein GewSt-Messbetragsbescheid aufgehoben wird, weil der Kläger nicht gewerbesteuerpflichtig ist. Das Urteil enthält hier neben der bloßen Kassation des angefochtenen Steuerbescheids zusätzlich die endgültige Regelung der GewSt-Pflicht des Klägers für den streitigen Besteuerungszeitraum. An diese rechtliche Beurteilung ist die Behörde gebunden[2].

 

Rz. 40

Die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche soweit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen eine andere Beurteilung rechtfertigen[3]. Lässt im Fall der echten Kassation (s. Rz. 41) das Urteil eine erneute, andere Regelung durch die Behörde zu, ist die Behörde durch das Urteil insoweit gebunden, als sie die in den Gründen zum Ausdruck kommende rechtliche Beurteilung zu übernehmen und auch die zurzeit der gerichtlichen Entscheidung bekannten Tatsachen in derselben Weise zu würdigen hat wie das Gericht. Lediglich in der Würdigung neu bekannt gewordener Tatsachen ist die Behörde frei. Die Bindung tritt aber nur hinsichtlich der vom Gericht behandelten rechtlichen Grundlagen und der tatsächlich gewürdigten Tatsachen ein. Es handelt sich hier um eine Rechtskraftregelung, die systematisch zu § 110 gehört[4]. Die Bindung tritt daher gem. § 110 Abs. 1 FGO auch erst mit formeller Rechtskraft ein[5]. Um den Umfang der Bindung zu ermitteln, ist zu untersuchen, welche Teile des Streitgegenstands das Gericht tatsächlich auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft hat. Zu den Einzelheiten vgl. § 110 Rz. 16ff. Materiell-rechtliche Wirkung entfaltet die Regelung hinsichtlich der Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 3 S. 3 AO.

[4] Lange, in HHSp, AO/FGO, § 100 FGO Rz. 56; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Rz. 25 m. w. N.
[5] H. L.; statt vieler v. Groll, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 100 FGO Rz. 23.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge