Rz. 9

Bevor die Finanzbehörde mit der inhaltlichen Überprüfung des angefochten Verwaltungsakts beginnt, muss sie sich nach § 358 AO der Zulässigkeit des Einspruchs vergewissern. Ein Einspruch ist zulässig, wenn er folgende Voraussetzungen erfüllt.[1]

  1. Statthaftigkeit des Einspruchs[2],
  2. Beschwer[3],
  3. kein Einspruchsverzicht[4],
  4. Einhaltung der Einspruchsfrist[5],
  5. Form des Einspruchs[6],
  6. richtiger Adressat des Einspruchs[7],
  7. Beteiligten- und Handlungsfähigkeit.[8]

Sind diese Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt, muss die Behörde den Einspruch nach § 358 S. 2 AO durch Einspruchsentscheidung als unzulässig verwerfen.

 

Rz. 10

Sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt, tritt die Finanzbehörde in die Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ein. Diese Prüfung darf sich nicht nur auf die von dem Stpfl. in seiner Einspruchsbegründung konkret aufgeworfene Streitfrage beschränken, sondern hat sich auf den gesamten Verwaltungsakt zu erstrecken.[9] Demgemäß wird dieser nach § 367 Abs. 2 S. 1 AO grundsätzlich in vollem Umfang überprüft. Bei Ermessensentscheidungen hat die Behörde dabei auch das Ermessen erneut auszuüben.[10]

Eine Einschränkung des Prüfungsumfangs ergibt sich allenfalls aus einem Teil-Rechtsbehelfsverzicht[11] oder einer Teil-Rechtsbehelfsrücknahme[12], die anlässlich eines Verständigungs- oder Schiedsverfahrens erfolgen können.

 

Rz. 11

Im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung hat die Finanzbehörde nicht nur für den Einspruchsführer belastende Fehler zu korrigieren, sondern muss auch ihn begünstigende Fehler richtigstellen. Dies kann nach § 367 Abs. 2 S. 2 AO ggf. auch zu einer "Verböserung" führen, also zu einer Änderung des Verwaltungsakts zum Nachteil des Einspruchsführers.

 

Rz. 12

Da es sich bei dem Einspruchsverfahren um einen Teil des finanzbehördlichen Verwaltungsverfahrens handelt, gelten nach § 365 Abs. 1 AO die allgemeinen gesetzlichen Regelungen des Besteuerungsverfahrens.

 

Rz. 13

Die Finanzbehörde hat deshalb bei der Überprüfung des Verwaltungsakts nicht nur die Richtigkeit der Rechtsanwendung zu überprüfen, sondern entsprechend dem Untersuchungsgrundsatz des § 88 AO auch die entscheidungserheblichen Tatsachen zu ermitteln und zu diesem Zweck ggf. eine erneute Beweisaufnahme durchzuführen. § 365 Abs. 2 AO gibt den Beteiligten das Recht an dieser Beweisaufnahme.

 

Rz. 14

Soweit durch die Entscheidung über den Einspruch die steuerlichen Interessen Dritter berührt werden, sind diese nach § 360 AO zu dem Verfahren hinzuziehen. Die Hinzugezogenen werden nach § 359 Nr. 2 AO Beteiligte des Einspruchsverfahrens.

 

Rz. 15

Der Einspruchsführer, nicht aber ein hinzugeladener Dritter, ist nach § 90 AO zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Bei unzureichender Mitwirkung kann die Finanzbehörde dem Einspruchsführer nach § 364b AO eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen. Erklärungen und Beweismittel des Einspruchsführers, die nicht innerhalb dieser Frist vorgebracht werden, dürfen nach § 364b Abs. 2 S. 2 AO nur noch für eine "Verböserung" verwertet werden.

 

Rz. 16

§ 364a AO sieht die Möglichkeit der Erörterung des Sach- und Rechtsstands zwischen den Beteiligten und der Finanzbehörde vor, um ggf. eine einvernehmliche Regelung zu erreichen.

 

Rz. 17

Unter bestimmten Voraussetzungen, z. B. im Hinblick auf ein beim BFH anhängiges Musterverfahren, kann das Einspruchsverfahren nach § 363 AO ausgesetzt oder ruhen gelassen werden.

[1] Vgl. dazu weitergehend § 358 AO Rz. 4 ff. und die Erläuterungen zu den genannten Vorschriften.
[3] §§ 350353 AO.

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