2.3.1 Verfahrenshandlung

 

Rz. 11

Die Steuererklärung ist i. d. R. die wesentliche Grundlage des Besteuerungsverfahrens (Rz. 1). Die Abgabe der Steuererklärung ist eine Maßnahme im Verfahren und damit eine Verfahrenshandlung.[1] Diese Verfahrenshandlung ist von dem jeweiligen Erklärungspflichtigen[2] vorzunehmen, wobei eine Vertretung zulässig ist. Sofern die Abgabe nicht durch eine besondere Aufforderung der Finanzbehörde[3] angefordert worden ist, beginnt mit der Abgabe regelmäßig das Besteuerungsverfahren, da nun die Finanzbehörde in die Prüfung eintreten muss.

 

Rz. 12

Der Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung ist demgemäß grundsätzlich der Anknüpfungspunkt für die Festsetzungsverjährung. Die Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist[4] bei Nichtabgabe der Erklärung setzt objektiv das Bestehen der Erklärungspflicht voraus. Unerheblich ist die Kenntnis oder der Irrtum des Stpfl. hinsichtlich seiner Erklärungspflicht.[5] Wird die Erklärungspflicht erst durch die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung nach § 149 Abs. 1 S. 2 AO begründet, so tritt die Anlaufhemmung nur ein, wenn die Aufforderung vor Ablauf der Dreijahresfrist des § 170 Abs. 2 Nr. 1 erfolgt.[6] Die Abgabe der Steuererklärung ist regelmäßig kein Antrag auf Steuerfestsetzung i. S. v. § 171 Abs. 3 AO, sodass hierdurch eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nicht eintritt.[7]

 

Rz. 13

Als Verfahrenshandlung unterliegt die Abgabe der Steuererklärung, auch soweit sie als Abgabe einer Willenserklärung zu verstehen ist, gemäß der Rechtsprechung nicht der Anfechtung wegen Irrtums.[8] Der Erklärungspflichtige kann eine fehlerhafte Steuererklärung und ggf. falsche Anträge aber jederzeit korrigieren und ist hierzu ggf. auch gem. § 153 AO verpflichtet.[9] Ob deswegen ein erlassener Verwaltungsakt zu ändern ist, richtet sich nach den Bestimmungen der AO bzw. der Einzelsteuergesetze.[10]

[1] Heuermann, in HHSp, AO/FGO, Vor §§ 149–153 AO Rz. 3.
[5] FG Baden-Württemberg v. 15.10.1987, III K 301/85, EFG 1988, 278.
[8] BFH v. 11.1.1967, I 78/65, BStBl III 1967, 208; BFH v. 4.4.2007, II B 66/06, BFH/NV 2007, 1274; Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 149 AO Rz. 10; a. A. Birkenfeld, StuW 1977, 31; zu zutreffenden Bedenken gegen diese Rechtsprechung s. Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor §§ 149–153 AO Rz. 13.
[10] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor §§ 149–153 AO Rz. 12.

2.3.2 Aufklärungsfunktion

 

Rz. 14

Ziel der steuerlichen Ermittlungen sind die zutreffende Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und die materiell richtige Steuerfestsetzung.[1] Durch die Abgabe der Steuererklärung wirkt der Stpfl. an der Aufklärung des steuerlich relevanten Sachverhalts mit.[2] Die Angaben in der Steuererklärung sind u. a. eine Sachverhaltsdarstellung (Rz. 4, 9). Sie sind von der Finanzbehörde im Rahmen ihrer Ermittlungen frei zu würdigen. Sie haben keine Beweiskraft i. d. S., dass die Behörde bis zum Beweis des Gegenteils an die Angaben gebunden ist.[3] Nur wenn die Finanzbehörde von den Angaben des Stpfl. abweichen will, gilt nach § 91 Abs. 1 S. 2 AO ein Anhörungsgebot.

 

Rz. 15

Für die Finanzbehörde ist das Vorbringen des Stpfl. in der Steuererklärung demgemäß nur Grundlage und Ausgangspunkt der Ermittlungstätigkeit.[4] Sie muss die Angaben des Stpfl. auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen, zumindest aber, ob sie in sich schlüssig sind und nicht jeglicher Lebenserfahrung widersprechen. Aus dem Untersuchungsgrundsatz[5], der durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens neu gefasst wurde, folgt keineswegs, dass die Behörde verpflichtet ist, diese Angaben prinzipiell in Zweifel zu ziehen, und von der Unglaubwürdigkeit des Stpfl. auszugehen hat. Sie kann sich vielmehr grundsätzlich auf die Richtigkeit der versicherten Angaben verlassen.[6] Sie kann das Vorbringen des Stpfl. ohne weitere Beweiserhebung der Besteuerung zugrunde legen, wie es in der Verwaltungspraxis schon aufgrund der zu bewältigenden Massenarbeit überwiegend auch geschieht. Die Finanzbehörde muss aber die eigentlichen Ermittlungen aufnehmen, wenn sie z. B. aufgrund einer stichprobenweisen Nachprüfung Anlass zur Skepsis hat.[7] Diese Vorgehensweise ist nunmehr in § 88 AO sowie § 155 Abs. 4 AO auch gesetzlich normiert. Gemäß § 150 Abs. 7 AO kann der Stpfl. allerdings durch eine Anmerkung erreichen, dass ein Sachbearbeiter den Fall prüft.

[3] Heuermann, in HHSp, AO/FGO, Vor §§ 149–153 AO Rz. 12; a. A. Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor §§ 149–153 AO Rz. 5, wonach die Erklärung Beweismittel sein soll.
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