1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorlage von Urkunden ist eine spezielle Mitwirkungspflicht des Beteiligten und stellt eine Konkretisierung des § 90 AO dar. Sie dient der Beibringung von Beweismitteln i. S. d. § 92 S 2. Nr. 3 AO. Beteiligte und andere Personen sind gem. § 97 Abs. 1 AO auf Verlangen der Finanzbehörde hin zur Vorlage von Urkunden verpflichtet.[1] Bis zur Aufhebung des § 97 Abs. 2 AO a. F. durch das AmtshilfeRLUmsG[2] war die Urkundenvorlage im Verhältnis zur Auskunftserteilung – von einigen Ausnahmen abgesehen – subsidiär.[3] Nunmehr stehen das Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 AO und das Vorlageverlangen nach § 97 Abs. 1 AO als Ermittlungsinstrumente gleichwertig nebeneinander.[4] Wie auch in § 93 Abs. 1 S. 3 AO, den § 97 Abs. 1 S. 3 AO für anwendbar erklärt, hat die Finanzbehörde vorrangig beim Stpfl. und erst danach beim Dritten anzufordern. Der neue § 97 Abs. 2 AO (bislang Abs. 3) trifft Regelungen zum Ort der Vorlage[5] und erklärt § 147 Abs. 5 AO für entsprechend anwendbar.

 

Rz. 2

Die Norm beinhaltet eine besondere Ausformung der aus § 90 AO hervorgehenden Mitwirkungspflicht des Beteiligten und ist zugleich eine Ergänzung des § 93 AO im Hinblick auf die Auskunftspflichten nicht am Verfahren beteiligter Personen. § 97 AO ist Ausführungsvorschrift zu § 92 S. 2 Nr. 3 AO und gilt als allgemeine Verfahrensnorm in allen der Sachaufklärung dienenden Verfahrensabschnitten.[6] Für die Vorlagepflichten im Außenprüfungsverfahren war § 200 Abs. 1 S. 4 AO bis zur Streichung der Subsidiaritätsklausel die speziellere Norm.[7] Für das Steuerfahndungsverfahren geht § 208 Abs. 1 S. 3 AO der Grundnorm des § 97 AO vor. Die Einschränkungen des § 97 Abs. 2 AO i. d. F. des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes greifen nicht ein. Im Steuerstraf-[8] und Bußgeldverfahren[9] findet § 97 AO insgesamt keine Anwendung.

 

Rz. 3

Die Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden besteht unabhängig von den allgemeinen Steuererklärungspflichten und den dort geregelten Beifügungsbestimmungen.[10] Gegenüber § 97 AO vorrangige Spezialvorschriften finden sich in den Einzelsteuergesetzen.[11] Im Regelfall wird die Vorlagepflicht zum Nachweis von Besteuerungsgrundlagen, die bereits von dritter Seite nach Maßgabe des § 93c AO übermittelt wurden, nicht in Betracht kommen. Die Datenübermittlung kommt unmittelbar vom Ursprung des Besteuerungsmerkmals, sodass es eines gesonderten Nachweises nicht mehr bedarf. Für die Vorlage von Buchführungsunterlagen enthält § 147 Abs. 6 AO eine speziellere Vorschrift. Vermeintlich hat die Vorschrift durch das StModG[12] mit Wirkung zum 1.1.2017 an Bedeutung gewonnen, da nunmehr die Gewährung steuerlicher Vorteile (z. B. Berücksichtigung von Spenden nach §§ 10b EStG, 50 EStDV) nicht mehr von Einreichung eines Belegs abhängt, sondern der Beleg künftig nur noch zur Verifikation der erklärten Besteuerungsgrundlage heranzuziehen ist. Mithin hat sich die Belegevorlage- in eine Belegvorhaltepflicht gewandelt . Die nunmehr unter "MeinELSTER" mögliche elektronische Belegnachreichung im Verfahren NACHDIGAL[13] richtet sich nicht nach § 97 AO, da hier nicht die körperliche Urkunde, sondern eine elektronische Kopie übermittelt wird. Vorzugswürdig gegenüber der elektronischen Belegnachreichung kann eine körperliche Vorlage nur dann sein, wenn das körperliche Original Besonderheiten, wie z. B. ein Siegel oder eine Unterschrift, aufweist.

[2] Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 26.6.2013, BGBl I 2013, 1809.
[7] BFH v. 28.10.2009, VIII R 78/05, BStBl II 2010, 455; ausführlich hierzu Buse, AO-StB 2012, 373.
[11] Z. B. § 60 EStDV.
[12] Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016, BGBl I 2016, 1679.
[13] Abkürzung für die ELSTER- Dienstleistung "Nachreichen digitaler Anlage".

2 Vorlagepflicht

2.1 Urkunden

 

Rz. 4

Die Vorlagepflicht besteht für Urkunden. Urkunde i. S. d. Norm ist eine in Schriftzeichen verkörperte oder auf Daten- und Bildträger festgehaltene Gedankenerklärung, die allgemein oder für Eingeweihte verständlich ist, den Urheber erkennen lässt und zum Beweis eines rechtlich erheblichen Sachverhalts geeignet ist.[1] Hierunter fallen nach der beispielhaften Aufzählung des § 97 Abs. 1 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden. Der Urkundenbegriff des § 97 AO ist umfassend. Erfasst werden nicht nur notarielle Urkunden und die nach § 147 Abs. 5 AO aufbewahrungspflichtigen Unterlagen, sondern neben Buchführungskonten, Journalen, Primanoten, Summen- und Saldenlisten[2] sowie statistischen Unterlagen für betriebsinterne Zwecke auch Protokolle über Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen[3], Handakten eines Notars[4],...

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