Rz. 37

Die Feststellung der für die Erstellung des Gutachtens erforderlichen Tatsachen ist nach dem Untersuchungsgrundsatz[1] grundsätzlich Aufgabe der Finanzbehörde. Der Sachverständige ist nicht befugt, von sich aus Sachaufklärung zu betreiben. Die Finanzbehörde kann bzw. muss aber den Sachverständigen in die vorbereitenden Ermittlungen einschalten, wenn ihr hierfür die notwendige Sachkunde fehlt.[2] Relevante Akten sind dem Sachverständigen zur Verfügung zu stellen. Nach §§ 98 Abs. 2, 99 Abs. 1, 100 Abs. 1 S. 2 AO kann er zu Augenscheinseinnahmen zugezogen werden (vgl. Rz. 8).

 

Rz. 38

Der Sachverständige hat die Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung.[3] Er kann jedoch bei der Vorbereitung und Abfassung des schriftlichen Gutachtens wissenschaftliche Mitarbeiter und sonstige geeignete Hilfskräfte zu seiner Unterstützung heranziehen. Deren Tätigkeit muss sich allerdings auf untergeordnete – nach Weisung und unter Aufsicht des Sachverständigen auszuführende – Aufgaben beschränken.[4] Die persönliche Verantwortung hat letztlich immer der Sachverständige zu tragen. Ein Gutachten, das nicht originäres Ergebnis des konkret verpflichteten Sachverständigen ist, kann nicht verwertet werden. Lediglich inhaltliche Verantwortung für eine fremde Leistung zu zeichnen, ist unzureichend. Dieser Einwand ist ausschließlich im Rahmen der Rüge der auf das Gutachten gestützten Behördenentscheidung zu verfolgen.

 

Rz. 39

In Ausübung seiner Gutachtertätigkeit hat der Sachverständige entsprechend § 93 Abs. 3 S. 1 AO nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln, das Gebot der Unparteilichkeit und Objektivität zu beachten sowie alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen. Das Gutachten muss so verfasst sein, dass sich die Finanzbehörde eine sichere Überzeugung bilden kann.[5] Dies setzt voraus, dass die Stellungnahme nachvollziehbar und überprüfbar ist. Deshalb muss der Sachverständige die seinem Gutachten zugrunde liegenden Tatsachen darstellen und überdies angeben, mithilfe welcher Methoden und in welcher Weise er seine Erfahrungssätze gewonnen bzw. Schlussfolgerungen gezogen hat.[6] Der Gutachter hat sich zu den im Gutachtenauftrag der Finanzbehörde enthaltenen Beweisthemen und -fragen zu äußern. Unklar, unzureichend oder unzutreffend gestellte Gutachtenaufträge gehen zulasten der Finanzbehörde, die das Verwertungsrisiko trägt. Aus Sicht der Finanzbehörde erscheint ratsam, den Gutachter bereits bei der Verfassung des Gutachtenauftrags einzubeziehen, damit dieses Risiko reduziert werden kann. Hat der Sachverständige Bedenken oder Zweifel an der Richtigkeit seiner Bewertung, so hat er diese im Gutachten kenntlich zu machen.

[2] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 AO Rz. 14.
[3] Roser, in Gosch, AO/FGO, § 96 AO Rz. 20.
[4] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 96 AO Rz. 44; Roser, in Gosch, AO/FGO, § 96 AO Rz. 20.
[6] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 AO Rz. 14.

3.4.1 Form des Gutachtens (§ 96 Abs. 7 S. 1 AO)

 

Rz. 40

Das Gutachten ist gem. § 96 Abs. 7 S. 1 AO regelmäßig schriftlich zu erstatten. Die elektronische Form[1] ist zulässig.[2] In geeigneten Fällen kann auch die mündliche Erstattung zugelassen werden.[3] Hierüber entscheidet die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen.[4] Lässt die Finanzbehörde ausnahmsweise eine mündliche Begutachtung zu, sollte über die Inhalte zu Beweissicherungszwecken eine Niederschrift gefertigt werden.

 

Rz. 41

Die Finanzbehörde ist befugt, das persönliche Erscheinen des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens anzuordnen.[5] Sind etwaige Unklarheiten oder Zweifel nicht anderweitig auszuräumen, ist sie hierzu verpflichtet. Dem Beteiligten ist die Möglichkeit zur Teilnahme an dem Termin zur Erläuterung des Gutachtens, sowie ein Fragerecht einzuräumen. Das schriftliche Gutachten ist kein Urkunden-, sondern Sachverständigenbeweis.[6]

[2] Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 96 Rz. 26.
[4] Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 96 Rz. 6.
[6] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 96 AO Rz. 47.

3.4.2 Beeidigung (§ 96 Abs. 7 S. 3 bis S. 5 AO)

 

Rz. 42

Die Beeidigung des Gutachtens darf gem. § 96 Abs. 7 S. 3 AO nur gefordert werden, wenn die Finanzbehörde dies mit Rücksicht auf die Bedeutung des Gutachtens für geboten hält. Dies ist nur der Fall, wenn das Gutachten von besonderer, für die Wahrheitsfindung ausschlaggebender Bedeutung ist. Dies könnte bejaht werden, wenn der Beteiligte die dem Gutachten unterlegten tatsächlichen Feststellungen substantiiert bestreitet, wobei die Beeidigung nicht auf hierzu getroffenen Wertungen des Gutachters zu erweitern ist.[1] Da sich diese im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Sachverständigen halten, sind sie eines Wahrheitsbeweises und damit einer Beeidigung nicht zugänglich. Die Beteiligten haben keinen Anspruch auf Beeidigung eines Sachverständigen.[2] Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der betreffenden Art im Allgemeinen beeidigt, so genügt nach §...

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