Rz. 9

Der von der Finanzbehörde bestimmte Sachverständige hat der Ernennung Folge zu leisten, wenn er dem Personenkreis des § 96 Abs. 3 AO angehört. Danach ist der Ernannte zur Gutachtenerstellung verpflichtet, wenn er

  • zur Erstattung von Gutachten der erforderlichen Art – auf bundes- oder landesgesetzlicher Grundlage – öffentlich bestellt ist[1];
  • die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerb ausübt. Öffentliche Ausübung setzt eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr voraus. Gewerbe i. S. d. Vorschrift ist jede dauernde selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit in Handel, Industrie, Land- und Forstwirtschaft, freiem Beruf oder öffentlichem Dienst.[2] Auch spielt es keine Rolle, ob die Tätigkeit auf eigene oder fremde Rechnung ausgeübt wird[3];
  • zur Ausübung der Wissenschaft, der Kunst oder des Gewerbes, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich bestellt oder ermächtigt ist. Hierzu zählen z. B. Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Nicht erforderlich ist, dass der Berufsträger dieser Tätigkeit auch tatsächlich nachgeht;
  • sich gegenüber der Finanzbehörde zur Erstattung eines Gutachtens bereit erklärt hat. Diese Erklärung kann sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend (etwa durch Annahme des Auftrags zur Gutachtenerstellung) abgegeben werden.
 

Rz. 10

Diese Personen können die Gutachtenerstellung nur unter Angabe von Gründen wegen Besorgnis der Befangenheit[4] oder aus zur Auskunftsverweigerung berechtigenden Gründen[5] ablehnen. Über das Ablehnungsgesuch entscheidet die Finanzbehörde (vgl. Rz. 34). Nicht für eine Gutachtenerstellung kommt ferner in Betracht, wer zu den ausgeschlossenen Personen i. S. d. § 82 AO gehört und wer vom Beteiligten mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden ist (vgl. Rz. 25ff.).

 

Rz. 11

Die nach § 96 Abs. 3 AO bestehende Pflicht zur Ausübung der Sachverständigentätigkeit kann nach §§ 328, 329 AO mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Die Finanzbehörde ist allerdings gut beraten, von einer zwangsweisen Durchsetzung abzusehen, weil ein rechtlich zwar verpflichteter, sich aber – aus welchen Gründen auch immer – verweigernder Sachverständiger im Regelfall unmotiviert und nicht frei von Parteinahme arbeiten wird.[6]

 

Rz. 12

Alle übrigen – d. h. nicht in § 96 Abs. 3 AO genannten – Personen sind in ihrer Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Ernennungsersuchens der Finanzbehörde frei. Für deren Ablehnung besteht kein numerus clausus der Ablehnungsgründe, sodass auch eine Ablehnung ohne Angabe von Gründen ausreichend ist.

Angehörige des öffentlichen Dienstes kommen ebenfalls für die Übernahme gutachtlicher Aufgaben in Betracht. Sie sind als Sachverständige aber nur dann zuzuziehen, wenn sie die nach dem Dienstrecht erforderliche Genehmigung erhalten.[7]

[1] Z. B. nach § 36 GewO.
[2] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 96 AO Rz. 23.
[3] kritisch zu diesem doch sehr großen Personenkreis Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 AO Rz. 6.
[6] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 AO Rz. 6; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 96 AO Rz. 26; Roser, in Gosch, AO/FGO, § 96 AO Rz. 17; Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 96 AO Rz. 8.

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