1 Allgemeines

 

Rz. 1

§§ 85, 88, 92 S. 2 Nr. 1 AO normieren die Befugnis der Finanzbehörden, zur Erfüllung ihres Besteuerungsauftrags Auskünfte jeder Art von den Beteiligten und anderen Personen einzuholen.

§ 93 AO ist hierzu Ausführungsnorm und gilt als allgemeine Beweismittelvorschrift gleichermaßen im Festsetzungs-, Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren.[1] Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären[2], darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.[3] Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren.[4] Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 S. 1 AO.[5]

Für die bes. Verfahren der Außenprüfung, der Steuerfahndung und der Steueraufsicht wird die Regelung durch die spezielleren Normen der §§ 200, 208, 210 und 211 AO teils modifiziert und ergänzt.[6] Die Finanzämter sind – ungeachtet der besonderen Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 AO – nach § 208 Abs. 3 AO nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z. B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gem. § 88 Abs. 1 AO durchführen.[7]

Für das Steuerstraf- und Steuerbußgeldverfahren[8], die keine Besteuerungsverfahren im eigentlichen Sinn sind, gilt die Norm dagegen nicht, während sie im Verwaltungsverfahren nach dem StBerG entspr. angewandt wird.[9]

 

Rz. 1a

Die §§ 93a bis 93c AO enthalten spezielle und überwiegend automatisierte Zulieferverfahren von dritter Seite. Da diese Auskünfte in nahezu jedem Steuerfall zur Verifikation der Angaben des Stpfl. benötigt werden, ist – anders als im Grundfall des § 93 AO – die Beauskunftung in diesen Sonderfällen nicht von einem vorherigen Auskunftsersuchen der Finanzbehörden beim Beteiligten und einer Unergiebigkeit dieser Mitwirkung abhängig. Im Gegenteil werden diesen Beistellungsleistungen teilweise bereits derselbe Rang wie der Erklärung des Stpfl. eingeräumt[10] und konsequenterweise im IT-gestützten Veranlagungsprozess eingesteuert.

 

Rz. 2

Als Beweismittelvorschrift setzt die Norm ein Beweisbedürfnis der Behörde voraus. Diese muss sich noch vom Vorliegen oder Nichtvorliegen eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts in dem erforderlichen Maß überzeugen.[11] Anlass der Beweiserhebung sind regelmäßig unvollständige bzw. unschlüssige Angaben im Rahmen der Steuererklärungen.[12] Das Ziel der Beweisführung betrifft daher grds. ein konkretes Steuerrechtsverhältnis und somit einen bereits bekannten steuererheblichen Sachverhalt.

 

Rz. 3

§ 93 AO ist aber auch im Fall unbekannter Steuerfälle – ggf. sinngemäß – anwendbar.[13] Nachdem der BFH[14] nunmehr die Voraussetzungen für das schon seit Längerem anerkannte[15] Sammelauskunftsersuchen festgelegt hat, wurde dieses in Abs. 1a nunmehr auch als Unterfall des Auskunftsersuchens gesetzlich geregelt. Erforderlich ist hiernach, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen gegeben ist und andere Maßnahmen, insbesondere die Informationserhebung "an der Quelle", keinen Erfolg versprechen. Ein i. d. S. hinreichender Anlass eines Auskunftsersuchens gegen Unbekannt ist nicht erst gegeben, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen. Es genügt vielmehr, wenn aufgrund konkreter Momente oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein Auskunftsersuchen angezeigt ist. Die Tatsache allgemeiner Steuerunehrlichkeit stellt keine allgemeine Erfahrung i. d. S. dar.[16]

 

Rz. 4

Die Norm ist verfassungsgemäß. Sie begegnet sowohl bezüglich des Bestimmtheitsgebots als auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.[17]

Damit unterliegt insbes. die Inanspruchnahme anderer Personen – nicht Verfahrensbeteiligter i. S. d. § 78 AO – mit Ausnahme der in Abs. 1 S. 3 enthaltenen Subsidiarität der Inanspruchnahme Dritter – keinen besonderen verfassungsrechtlichen Restriktionen.[18] Mit Geltung der EU-Datenschutz-Grundverordnung[19] ist dem Umstand, dass bezüglich der Inanspruchnahme Dritter das Ermittlungsermessen der Finanzbehörde auszuüben ist, in der Weise Rechnung zu tragen, dass § 32b Abs. 1 AO[20] für diese Fälle eine Informationspflicht gegenüber dem Betroffenen, also der Person, in dessen Steuerrechtsverhältnis diese Auskunft verwendet werden soll, von Amts wegen vorsieht, wobei diese Pflicht in einigen Fällen zurücktreten muss. Erkundigungen im Internet und auf Social-Media-Plattformen fallen nicht unter den Anwendungsbereich des § 93 AO, da insoweit keine Auskunft erbeten wird, sondern in einem öffentlichen Raum für jeden wahrnehmbare Tatsachen gesammelt werden, die demgemäß (noch) nicht einem individualisierbaren Schutzanspruch eines Privaten zugeordnet werden können.[21]

Jedenfalls beden...

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