Rz. 20

Einschränkungen der Freiheitsgrundsätze durch den Staat müssen auf einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage beruhen.[1] Dies schließt eine ausufernde Datennutzungs- und Ermittlungsberechtigung auf Basis des § 88b AO aus.

 

Rz. 21

Es bedarf dementsprechend einer dies berücksichtigenden verfassungskonformen Auslegung der Norm.[2] § 88b AO regelt in verfassungskonformer Auslegung weder eine Berechtigung zu "Ermittlungen ins Blaue" (vgl. Rz. 16), noch darf er so ausgelegt werden, dass er in sonstiger Weise das rechtsstaatliche Übermaßverbot verletzt.[3] Die Finanzverwaltung wird in der Praxis erhebliches Gewicht darauf legen müssen, den Anwendungsbereich des § 88b AO nicht zu weit zu interpretieren. Nur bei restriktiver Auslegung wird es möglich sein, die Berechtigungsnorm verfassungskonform zu interpretieren. Dafür aber zu fordern, dass nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine Steuerverkürzung eine Datenzusammenführung überhaupt erst erfolgen dürfte[4], würde dem Normgehalt m. E. nicht gerecht und würde ihn zu weitgehend entleeren. Vielmehr wird es für die Berechtigung zur Datenbereitstellung und -nutzung i. S. d. § 88b AO ausreichen, wenn dem Datenabruf zur Risikoanalyse ein bekanntes oder auf der Grundlage kriminologischer Erfahrung zumindest überwiegend wahrscheinliches Betrugsmuster zugrunde liegt.

 

Rz. 22

Aus §§ 85, 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO lässt sich ableiten, dass die Finanzbehörden auch unbekannten Steuerfällen nachzugehen haben. Nur so kann die von § 85 AO und Art. 3 GG geforderte Rechtsanwendungsgleichheit sichergestellt werden.[5] Dabei stößt die Pflicht der finanzbehördlichen Sachaufklärung immer auch auf Freiheitsrechte der betroffenen Personen, die ihrerseits – vor allem durch das freiheitsschützende Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) – diese Aufklärungsrechte und -pflichten begrenzen.[6] Es kommt deshalb auf die konkrete Normfassung, deren Ausgestaltung und Umsetzung an.

[2] Beckmann, NJW 2017, 971, 975.
[3] So Gläser/Schöllhorn, DStR 2016, 1577, 1579.
[4] So Beckmann, NJW 2017, 971, 976.
[5] Klein/Rätke, AO, 15. Aufl. 2020, § 85 Rz. 15 m. w. N.
[6] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 85 AO Rz. 26 m. w. N.

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