Rz. 4

Nach § 87 Abs. 1 AO haben sich die Finanzbehörden zur Erfüllung ihrer aus § 85 AO folgenden Aufgabenzuweisung der deutschen Sprache als Amtssprache zu bedienen. Besteuerungsrelevante Vorgänge sind grundsätzlich in deutscher Sprache abzufassen. Entsprechendes gilt für die Aktenführung. Der verfahrensrelevante Stoff ist in seinen wesentlichen Teilen in deutscher Sprache aktenkundig zu machen.[1] Das deutsche Sprachgebot gilt für alle mündlichen[2] und schriftlichen[3] Äußerungen der Finanzbehörden. Insbesondere Verwaltungsakte einschließlich der Rechtsbehelfsbelehrung sind grundsätzlich in deutscher Sprache bekanntzugeben.[4] In jüngerer Zeit haben sich die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder mit der besseren Verständlichkeit ihrer Veröffentlichungen beschäftigt und betreiben einen nicht unerheblichen Ressourcenaufwand[5], um die von Ihnen herausgegebenen steuerlichen Texte zu vereinfachen. Aus dem Projekt des Landes Nordrhein-Westfalen hervorgegangen ist der Lenkungskreis "Bürgernahe Sprache", der auf einen Beschluss der Finanzministerkonferenz aus Mai 2018 beruht und in nunmehr 7 Unterarbeitsgruppen[6] den Zugang zu diesen Texten erleichtern soll. Die Erarbeitung entsprechender Texte erfolgt überwiegend durch Praktiker der Steuerverwaltung aus allen Bundesländern unter sprachwissenschaftlicher Begleitung durch das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS). Angesichts der komplexen Rechtsmaterie mit den teils schwer verständlichen Rechtsquellen muss der Spagat zwischen der angestrebten Vereinfachung ohne gleichzeitiger Sinnverfälschung gelingen. Aus naheliegenden Gründen hat jedoch stets eine fachlich zutreffende Formulierung Vorrang vor einer leicht verständlichen. Ziel ist indes, durch ein verbessertes Verständnis eine höhere Akzeptanz für die Behördenentscheidung zu erreichen. Rechtstreues Verhalten und eine geringere Rechtsbehelfsquote könnten die Folge sein.

 

Rz. 5

Die Pflicht zur Verwendung der deutschen Sprache gilt auch in den Fällen, in denen die Behörden positive Kenntnis von der mangelnden Sprachkunde des Adressaten haben.[7] Es gibt keinen Rechtssatz, wonach Verwaltungsakte, die gegenüber fremdsprachigen Adressaten ergehen, nur dann rechtswirksam sind, wenn sie in deren Muttersprache verfasst sind.[8] Vielmehr ist es den Behörden nicht zumutbar, bei jeder Bekanntgabe einer Entscheidung zu prüfen, ob und ggf. wie weit der Empfänger der deutschen Sprache mächtig ist.[9] Insbesondere setzt die Wirksamkeit einer Behördenentscheidung nicht das Verstehen, sondern nur das "zur Kenntnis nehmen können" voraus. Ein Anspruch auf Beistellung eines Dolmetschers im Falle eines nicht der deutschen Sprache Mächtigen ist abzulehnen.[10]

Deshalb setzt eine in deutscher Sprache abgefasste Rechtsmittelbelehrung auch dann eine Rechtsbehelfsfrist in Gang, wenn sie gegenüber einem nicht deutschsprachigen Ausländer ergangen ist.[11] In diesem Fall wird auch keine nach Maßgabe des § 356 Abs. 2 AO verlängerte Rechtsbehelfsfrist in Lauf gesetzt, da die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig war.[12] Dessen fehlende Sprachkenntnis ist ggf. im Rahmen einer Entscheidung über die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand[13] zu würdigen.[14] Führen fehlende oder unzureichende Kenntnisse der deutschen Sprache dazu, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör[15] verkürzt oder sein Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen, der deutschen Sprache mächtigen Beteiligen verletzt wird, muss diesem Anspruch durch die Wiedereinsetzung in die Frist Geltung verschafft werden.[16]

Allerdings gilt dies nicht schrankenfrei. So hat auch der der Amtsprache nicht Mächtige im Rahmen seiner ihm in eigener Sache obliegenden Sorgfaltspflichten in angemessener Zeit sich um eine Übersetzung der Schriftstücke zu bemühen und sodann die gebotene Maßnahme zu ergreifen. Fehlende Sprachkunde darf nicht dauerhaft den geregelten Ablauf des Verwaltungsverfahrens hindern, sodass auch nachteilige Regelungen oder gar Sanktionen getroffen bzw. verhängt werden können und beachtet werden müssen.[17] Welche Frist als angemessen anzusehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. So spielen Erreichbarkeit eines Sprachkundigen und Gewöhnung an die im Inland herrschenden Lebensumstände genauso eine Rolle, wie der Zugang zu einer Vertrauensperson bzw. zu einem Berater.

 

Rz. 6

Umgekehrt ist es grundsätzlich Sache des Fremdsprachigen, mit der fremden Staatsmacht in deren Amtssprache zu verkehren und dabei notfalls einen Dolmetscher hinzuzuziehen.[18] Fehler und Versäumnisse gehen insoweit zu seinen Lasten.[19]

 

Rz. 7

Aus § 87 AO folgt aber kein behördliches Verbot, fremdsprachige Merkblätter und Broschüren herauszugeben[20], den Verwaltungsakten und Rechtsmittelbelehrungen Übersetzungen beizufügen sowie in Einzelfällen in der Muttersprache des fremdsprachigen Stpfl. zu verhandeln und zu entscheiden.[21] Auch fremdsprachige Verwaltungsakte sind nicht per se unwirksam.[22] Dies folgt aus Sinn und Zweck der Vorschrift als einer an der Zumutbarkeit ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge