Rz. 37

Der Datenschutz ist Ausfluss des durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Daten sind nicht uneingeschränkt zulässig. Das BVerfG hat in seinem sog. Volkszählungsurteil[1] Grundsätze für den Schutz des vom Persönlichkeitsrecht umfassten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung entwickelt. Danach ist der Einzelne befugt, grds. selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Einschränkungen dieses Rechts sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die den rechtsstaatlichen Geboten der Normenklarheit und Verhältnismäßigkeit entsprechen muss.

 

Rz. 38

Das BVerfG hat jedoch in mehreren Entscheidungen[2] sehr klar herausgestellt, dass gerade im Besteuerungsverfahren Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zulässig sind. Denn der Einzelne hat nicht ein Recht i. S. einer absoluten, uneingeschränkten Herrschaft über seine Daten, sondern ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Das GG hat hier das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft zugunsten der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit entschieden.

 

Rz. 39

Das BVerfG hat in den genannten Entscheidungen keinen Zweifel daran gelassen, dass die in der AO niedergelegten Grundsätze der Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung einem Gemeinwohlbelang von besonderer Bedeutung dienen. Dem einzelnen Stpfl. werden mit dem Ziel einer steuerlichen Belastungsgleichheit umfassende Erklärungs- und Mitwirkungspflichten auferlegt. Diese werden durch die Ermittlungs- und Datenerhebungsbefugnisse der Finanzbehörde flankiert. Sofern mit der Ausübung dieser Befugnisse eine Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung einhergeht, dient diese zur Durchsetzung einer den Grundsätzen des § 85 AO entsprechenden Besteuerung und liegt deshalb regelmäßig im überwiegenden Allgemeininteresse.

 

Rz. 40

Diese Grundzüge sind in der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)[3] ebenfalls enthalten. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann zulässig, wenn u. a. die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche – hier die Finanzbehörde – unterliegt, oder wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe obligatorisch ist, die im öffentlichen Interesse liegt, bzw. in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde.[4] Hierbei muss die Rechtsgrundlage im Unionsrecht oder im Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, festgelegt sein.[5]

Als Auffangnorm ist in diesem Zusammenhang § 29b AO geschaffen worden, nach dem Finanzbehörden personenbezogene Daten verarbeiten dürfen, wenn dies zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die ihnen übertragen wurde, notwendig ist.[6]

Nach § 2a Abs. 5 AO wird der Anwendungsbereich dieses Grundsatzes über den originären Geltungsbereich der DSGVO auf Körperschaften, Personengesellschaften und sonstige Vermögensmassen erweitert. § 85 AO stellt hierbei die zentrale Norm für die den Finanzbehörden obliegenden Aufgaben und öffentlich-rechtlichen Befugnisse dar. Art. 6 Abs. 4 DSGVO i. V. m. § 29b AO legt zugleich fest, dass die hiernach verarbeiteten Daten nur zur Erfüllung dieser Aufgaben, bzw. zu dem Zweck, zu dem sie erhoben wurden, verwendet werden dürfen. Nach der sehr engen Verwaltungsauffassung[7] wird zur Bestimmung des Verarbeitungszwecks differenziert nach Steuerart und -jahr je ein zweckbestimmendes Verwaltungsverfahren betrieben, wobei die Verfahren zur Überprüfung steuerlichen Angaben[8] und Verfahren zur Erhebung der festgesetzten Steuerschuld umfasst sind. Die Nutzung dieser Daten zur Durchführung anderweitiger Aufgaben, z. B. zur Durchführung der Besteuerung Dritter im Wege einer Kontrollmitteilung, richtet sich nach § 29c AO.

 

Rz. 41

Zweifelsfrei stellen die in Erfüllung ihrer Aufgaben durch die Finanzbehörden gesammelten Daten die vollständigste und aktuellste Datenquelle im Inland dar und steht daher nicht selten im Fokus von Überlegungen zur Etablierung neuer Verwaltungsaufgaben. Vor dem Hintergrund der aus § 85 AO abzuleitenden Aufgaben und Befugnisse begegnet es nicht zuletzt vor einem datenschutzrechtlichen Hintergrund zunehmend Bedenken, wenn den Finanzbehörden außersteuerliche Aufgaben übertragen werden sollen. Nicht zuletzt aus diesem Grund darf der Einführung der Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen in den §§ 138d ff. AO[9] Skepsis entgegen gebracht werden, erfordert der EU-rechtliche Umsetzungsauftrag der EU-Richtlinie DAC 6 zur Verhinderung der Erosion deutschen Steuersubstrats durch Identifizierung und Verringerung von Steuervermeidungspraktiken und Gewinnverlagerung[10] nur frühzeitig...

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