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Eine Person kann zwei oder mehr Wohnsitze der durch § 8 AO umschriebenen Art im Inland und im Ausland haben[1], jedoch nur einen gewöhnlichen Aufenthalt.[2] Dies wird im Steuerrecht an mehreren Stellen zum Ausdruck gebracht. Für die örtliche Zuständigkeit bei Steuern vom Einkommen und Vermögen natürlicher Personen mussten in § 19 Abs. 1 S. 2 AO besondere Regeln geschaffen werden, da es bei der örtlichen Zuständigkeit auf den Ort des einzelnen Wohnsitzes im Inland ankommt und nicht nur auf die sonst meist entscheidende Tatsache, dass mindestens ein Wohnsitz im Inland gegeben ist, gleichgültig an welchem Ort. § 21 BerlFG fordert für einkommensteuerliche Vergünstigungen einen ausschließlichen Wohnsitz oder denjenigen von mehreren Wohnsitzen in Berlin, an dem sich der Stpfl. vorwiegend aufhält. Wenn in § 3a Abs. 4 S. 1 UStG davon die Rede ist, dass der Leistungsempfänger "seinen" Wohnsitz außerhalb des Gebiets des EU-Raums hat, so wird damit offensichtlich davon ausgegangen, dass nur ein Wohnsitz in Betracht kommt. Gemeint sein kann damit entweder nur der Wohnort[3] oder ebenfalls nur der ausschließliche Wohnsitz oder der Wohnsitz mit überwiegendem Aufenthalt.

Gerade zu der Prüfung, ob ein Stpfl. neben einem Wohnsitz noch einen weiteren hat, kann man in Rspr. und Lit. den Eindruck gewinnen, dass die Entscheidungen zielorientiert getroffen werden. So wird einerseits bei Begründung eines neuen (weiteren) Wohnsitzes bzw. Beibehaltung eines Wohnsitzes nach Fortzug der übrigen Familie an die Wohnung der Maßstab eines "angemessenen Heims" gelegt[4]; andererseits werden bei der Überprüfung der Schädlichkeit eines Wohnsitzes neben einem Berliner Wohnsitz für Vergünstigungen des BerlFG leicht die Voraussetzungen des Wohnsitzes als gegeben betrachtet.[5] Unverständlich sind auch die Unterschiede in den Anforderungen an den "ersten" Wohnsitz einerseits und weitere Wohnsitze andererseits, die in Lit. und Rspr. gemacht werden.[6] Das Steuerrecht kennt keinen 1. oder 2. Wohnsitz, auch keine Hauptwohnung und Nebenwohnung.[7] Die steuerlichen Wohnsitze sind für sich wertneutral.[8] Bestimmte Rechtsfolgen werden allerdings an den überwiegenden Aufenthalt an dem einen oder anderen Wohnsitz geknüpft. Dabei ist es durchaus möglich, dass die karg ausgestattete Wohnung des angeblichen "zweiten" Wohnsitzes der Ort des überwiegenden Aufenthalts und deswegen maßgebend z. B. für die örtliche Zuständigkeit nach § 19 Abs. 1 S. 2 AO oder für die Gewährung der ESt-Ermäßigung nach § 21 BerlFG ist. Dieser überwiegende Aufenthalt müsste nach der o. a. Auffassung konsequent zum Austausch der Anforderungen an die eine oder die andere Wohnung führen, da nun der "Zweitwohnsitz" plötzlich der "Erstwohnsitz" ist. Dieser Schluss wird allerdings in Lit. und Rspr. nicht gezogen.

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