1 Anwendungsbereich

 

Rz. 1

§ 76 AO gilt seinem Wortlaut nach nur für Zölle und Verbrauchsteuern. Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten nach § 21 Abs. 2 UStG die Vorschriften für Zölle analog. Durch die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften soll sichergestellt werden, dass die bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben von einer Behörde in einem Bescheid nach dem gleichen Verfahren aufgrund einheitlich getroffener Feststellungen einfach und zweckmäßig erhoben werden. Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn es regelmäßig zur Anwendung der Zollvorschriften auf die Einfuhrumsatzsteuer kommt.[1] Der Gesetzeswortlaut wurde durch das StÄndG 2001[2] an das geltende supranationale Recht angepasst.

Für Zölle war der Anwendungsbereich der Sachhaftung seit Inkrafttreten des Zollkodex (ZK) zum 1.1.1994 bereits eingeschränkt. Verschiedene Sicherungsmaßnahmen auf der Grundlage der Ermächtigungsgrundlagen der Art. 53, 57 und 75 ZK verdrängten grundsätzlich als vorrangiges Gemeinschaftsrecht den § 76 AO. Mit Inkrafttreten der Neufassung des Zollkodex der Europäischen Union (UZK) zum 1.5.2016[3] ist die Anwendbarkeit des § 76 AO, insbesondere wegen der neu geregelten häufig zwingenden Sicherheitsleistung für Einfuhrabgaben, noch weiter eingeschränkt. Wegen der noch abzuwartenden Übergangsregelungen bis 2020 kann sich die Anwendbarkeit noch hinausschieben. Der Auftrag der Zollbehörden ist erstmalig in Art. 3 UZK festgeschrieben worden. Er besteht u. a. in dem Schutz finanzieller Interessen, dem Schutz vor unlauterem und illegalem Handel bei gleichzeitiger Förderung der legalen Wirtschaftstätigkeit sowie der Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Kontrollen und Erleichterungen des legalen Handels. Dieser neuen Auftragsdefinition folgend wird in den Regelungen des UZK eine weitgehende Vereinheitlichung der Vorschriften über die Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung angestrebt[4] als auch eine zwingende Verpflichtung zur Sicherheit bei allen Nichterhebungsverfahren[5] einschließlich der vorübergehenden Verwahrung[6] geregelt. Art. 89 Abs. 1 UZK regelt, dass eine Sicherheitsleistung in den gesetzlich geregelten Fällen verlangt werden kann, wenn eine Zollschuld oder andere Abgaben entstehen können oder bereits entstanden sind. Der Sicherheitsbetrag entspricht nach Art. 90 Abs. 1 UZK grundsätzlich dem Referenzbetrag. Die Sicherheitsleistung soll nach Art. 90 Abs. 1 UAbs. 2 UZK den Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag und die anderen Abgaben im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr der Waren abdecken. Die Sicherheitsleistung ist für den der Zollschuld entsprechenden Abgabenbetrag zu leisten, unabhängig davon, ob die Zollanmeldung richtig ist.[7] Mit dieser Erweiterung werden im UZK auch Zollschulden für falsch oder nicht angemeldete Waren abgesichert. Die Sicherheit wird frei gegeben, wenn die Zollschuld oder eine andere Abgabenschuld erloschen ist oder nicht mehr entstehen kann.

Durch Erbringung der Sicherheitsleistung vor Einrichtung eines Verwahrungslagers oder Inanspruchnahme eines besonderen Verfahrens ist eine möglicherweise entstehende Zoll- und Abgabenschuld bereits gesichert, sodass das Rechtsinstitut der Sachhaftung nicht mehr bemüht werden muss, zumal die Befriedigung aus einer Sicherheit wesentlich leichter durchsetzbar ist, als die Verwertung einer Sache im Rahmen der Sachhaftung. Die Sachhaftung wird in Fällen des vorschriftswidrigen Verbringens, des Entziehens der Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder anderen Verfehlungen bei Waren in besonderen Verfahren[8] oder ihrer Verwertung sowie Pflichtverletzungen bei Endverwendung und Nichterfüllung von Voraussetzungen bei Überführung in ein Zollverfahren oder in Fällen, in denen kein Zollschuldner fest gemacht werden kann, z. B. bei gefundener Ware, Anwendung finden. Das Zollschuldrecht ist der Definition des Auftrags der Zollbehörden in Art. 3 UZK folgend wirtschaftsfreundlicher gestaltet worden. Es bestehen mehr Heilungsmöglichkeiten bei nicht vorsätzlichen Verstößen gegen Zollvorschriften, die eine entstandene Zollschuld nach Art. 124 h) i) und ii) UZK erlöschen lässt und damit auch die Sachhaftung nach § 76 Abs. 4 AO erlischt.

Nach Art. 124 (e) UZK erlischt die Zollschuld immer mit der Einziehung der Ware. Die Bedingungen, unter denen eine Ware eingezogen, veräußert, zerstört oder anderweitig verwertet werden kann, sind in Art. 197 – 199 UZK geregelt.

Für Monopoleinnahmen ist § 110 Abs. 2 BranntwMonG bis zu seiner Aufhebung zum 31.12.2017 lex specialis.

Nach § 12 Abs. 2 S. 6 TabStG gilt § 76 AO sinngemäß für Steuerzeichen, die noch nicht an die Kleinverkaufspackungen angebracht worden sind. Diese analoge Anwendung dient der Sicherung der Steuerzeichenschuld.

[2] BStBl I 2002, 4.
[4] Art. 195 Abs. 1 UZK.
[5] Art. 210 UZK.
[6] Art. 148 Abs. 2 c) UZK.
[7] Art. 89 Abs. 4 UAbs. 2 UZK.

2 Zweck und Wesen

 

Rz. 2

Die Regelung des § 76 AO beruht auf dem gesetzgeberischen Willen, neben dem...

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