Rz. 6

Der Verstoß gegen das Auszahlungs- bzw. Herausgabeverbot muss vorsätzlich oder grob fahrlässig geschehen sein. Anders als nach § 163 Abs. 3 RAO begründet einfache Fahrlässigkeit die Haftung nicht. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem besonders starken Maß außer Acht lässt.[1] Der Verstoß gegen das Gebot der Kontenwahrheit muss sich dem Kontenführer bzw. Pfandgläubiger oder Verwahrer geradezu aufdrängen. Eine Bank, die für einen ehemaligen Verfügungsberechtigten eines fremden Bankkontos Zahlungsvorgänge dieses ehemaligen Verfügungsberechtigten aus eigenen Geschäften für seine eigene Rechnung abwickelt, handelt grob fahrlässig und haftet daher nach § 72 AO, soweit sie das Bankkonto nicht sperrt, sondern Guthaben ohne Zustimmung des FA ausbezahlt, obwohl die Bank weiß, dass das ursprüngliche Konto im Verkehr nicht mehr existiert.[2] Vorsatz ist wissentliches und willentliches Verhalten in Kenntnis der Tatsache, dass das Herausgeben eine Pflichtwidrigkeit bedeutet.[3] Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit braucht sich nur auf das Verbot der Herausgabe ohne Zustimmung des Finanzamts zu beziehen. Nicht erforderlich ist, dass sie sich auf das Bestehen von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis richten, deren Verwirklichung beeinträchtigt werden könnte. Es ist denkbar, dass sich das Verschulden auf einen Teil der Herausgabe beschränkt oder das Fehlen der Zustimmung nicht die Finanzämter aller Verfügungsberechtigten betrifft. Ein Mitverschulden der Finanzbehörde ist denkbar und kann die Haftung ganz oder teilweise ausschließen. Das kann z. B. dadurch geschehen, dass sich die Finanzbehörde bei der Zustimmung nach § 154 Abs. 3 AO missverständlich verhält.[4]

[1] S. § 69 AO Rz. 14; vgl. auch § 276 BGB.
[4] Ebenso Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 72 AO Rz. 6.

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