Rz. 8

Eine Haftung tritt für die verkürzten Steuern bzw. die zu Unrecht gewährten Steuervorteile, beide gem. § 370 Abs. 4 AO, sowie für die Hinterziehungszinsen nach § 235 und ab 1.1.2017 auch für die Zinsen nach § 233a AO ein, soweit diese nach § 235 Abs. 4 AO auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.[1] ein. Für andere Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis[2] einschließlich der sonstigen steuerlichen Nebenleistungen[3] scheidet die Anwendung des § 71 AO aus.

Die Haftung für Hinterziehungszinsen war erforderlich, da der Steuerschuldner stets auch Schuldner dieser Zinsen ist[4] und die Haftung des Steuerhinterziehers die Unrechtsfolgen beseitigen soll. Ist der Hinterzieher nicht mit dem Steuerschuldner identisch, schuldet er also auch nicht die Hinterziehungszinsen[5], so kann das von § 71 AO erstrebte Ergebnis nur durch die Haftung für die Hinterziehungszinsen erzielt werden. Die Vorgängervorschrift § 112 RAO kannte diese Haftung für die Zinsen nicht. Daher trat die Haftung nach § 71 AO für die Hinterziehungszinsen gemäß Art. 97 § 11 EGAO nur für Steuerhinterziehungen ein, die nach dem 31.12.1976 vollendet worden sind. In diesem Fall haftet der Haftungsschuldner auch für die zuvor entstandenen Hinterziehungszinsen, für die auch vorher schon eine Regelung bestand. Mit Wirkung ab 1.1.2017 erstreckt sich die Vorschrift des § 71 AO nach einer Gesetzesänderung durch das StModG v. 18.7.2016[6] auch auf die Zinsen nach § 233a AO, soweit diese nach § 235 Abs. 4 AO auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden. Sie werden nämlich wie Hinterziehungszinsen behandelt. Im Fall der Steuerhehlerei gibt es weder Hinterziehungszinsen[7] noch eine Haftung für diese Zinsen.[8]

 

Rz. 9

Die Haftung besteht nur für solche Steuerbeträge, auf die sich der Vorsatz des Täters der Steuerhinterziehung erstreckt hat.[9] Die Steuerhehlerei führt nicht zu einer Zinspflicht. Daher ist in den Fällen der Steuerhehlerei eine Haftung für Zinsen wegen Steuerhinterziehung bereits begrifflich ausgeschlossen.[10] Der Teilnehmer muss zusätzlich den eigenen Beitrag vorsätzlich geleistet haben, da Anstiftung und Beihilfe Vorsatz voraussetzen. Hat also der Gehilfe die Beihilfe nur für einen Teil der Tat vorsätzlich geleistet (z. B. bei der Vorbereitung einer falschen Steuererklärung), so haftet er auch nur für die Folgen dieses Teils der Steuerhinterziehung oder -hehlerei, auch wenn der Täter Vorsatz für die ganze Tat gehabt hat. Der Haftungsumfang ist also auf den Betrag des vom Hinterziehungsvorsatz umfassten, noch nicht erfüllten Steuerbetrags beschränkt.[11] Bei einer Steuerhinterziehung oder -hehlerei im Wiederholungsfall, die bis zur Aufgabe dieses Rechtsinstituts durch die Rspr. auch für die Steuerhinterziehung[12] als fortgesetzte Tat behandelt wurde, haftet deshalb der Teilnehmer auch nur für die Folgen derjenigen Taten, auf die sich sein Anstifter- oder Gehilfenvorsatz erstreckt hat.

Eine Einschränkung der Haftung soll sich nach der BFH-Rechtsprechung[13] wie für die Haftung nach § 69 AO auch für diejenige nach § 71 AO aus dem Schadensersatzcharakter der Haftungsnorm ergeben. Die Haftung besteht unabhängig vom Maß des Verschuldens[14] nur im Umfang der Grundsätze der anteiligen Tilgung.[15] Sind keine Zahlungsmittel vorhanden und damit die Haftung nach § 69 AO ausgeschlossen, kann der Täter oder Teilnehmer auch nach § 71 AO nicht (mehr) in Anspruch genommen werden.[16]

Ob oder inwieweit dem Steuergläubiger die hinterzogenen Beträge auch bei steuerlich zutreffendem Verhalten nicht zugeflossen wären, ist für den Umfang der Haftung nach neuer BFH-Rspr. stets zu berücksichtigen.[17] Dagegen ist es unbeachtlich, dass hinterzogene EUSt in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen werden kann. Verkürzt und damit hinterzogen ist die EUSt nämlich wegen § 370 Abs. 4 S. 3 AO trotz dieser Abzugsmöglichkeit.[18] Die Haftung für verkürzte USt-Vorauszahlungen entfällt allerdings insoweit, als die geschuldete USt wegen Änderung der Bemessungsgrundlage oder Uneinbringlichkeit des Entgelts zu berichtigen ist. § 17 Abs. 1 Nr. 3 UStG, der die Berichtigung und damit die steuerlichen Folgen in den Voranmeldezeitraum der Veränderung oder der Uneinbringlichkeit verlagert, steht dem nicht entgegen, da die Verlagerung nur aus Gründen der Verfahrensvereinfachung ohne materiell-rechtliche Konsequenzen geschieht.

Eine Haftung aus mehreren Haftungsgrundlagen nebeneinander ist möglich, z. B. aus § 42d EStG und § 71 AO[19] oder aus §§ 69, 71 AO.[20]

[1] Änderung des § 71 AO durch das StModernG v. 18.7.2016, BGBl I 2016, 1679.
[6] BGBl I 2016, 1679.
[8] Jetzt ebenso Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 71 AO Rz. 15.
[9] RFH v. 7.12.1936, IV 86/36, AS Vd. 40, 118; ebenso Blesinger, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 71 AO Rz. 7; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 71 AO Rz. 16; a. ...

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