1 Allgemeines

1.1 Zweck der Vorschrift

 

Rz. 1

Die in §§ 34 und 35 AO genannten Personen handeln für Stpfl., die selbst aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht handlungsfähig sind. Sie haben deren steuerliche, nicht dagegen rein handelsrechtliche Pflichten zu erfüllen. Die §§ 34 und 35 AO normieren eine eigene öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Führt ein vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verstoß gegen eine dieser Verpflichtungen dazu, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht rechtzeitig oder gar nicht erfüllt werden, so müssen die genannten Personen für die Folgen einstehen. Die Überschrift der Vorschrift ist zu eng, da unter §§ 34 und 35 AO nicht nur Vertreter fallen.

Die Haftung nach § 69 AO basiert vornehmlich auf dem Gedanken des Schadensersatzes.[1]

 

Rz. 1a

Die Haftung gem. § 69 AO ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die unterschiedlichen Haftungsregelungen zugunsten des Steuergläubigers einerseits und privatrechtlichen Gläubigern[2] andererseits sind kein Verstoß gegen das GG.[3]

1.2 Art der Haftung

 

Rz. 2

Die Vorschrift begründet als Folge der Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht eine öffentlich-rechtliche Haftung. Privatrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Haftungsschuldner und dem von ihm Vertretenen haben auf ihren Bestand und ihren Umfang keinen Einfluss.[1]

Es handelt sich um eine unbeschränkt persönliche Haftung, die neben der Schuld besteht, also eine Nebenhaftung und keine Ausfallhaftung.[2] Schuldner und Haftender sind deshalb Gesamtschuldner.[3] Eine Zahlungsinanspruchnahme des Haftenden ist allerdings grundsätzlich nur zulässig, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners erfolglos geblieben oder eine solche Vollstreckung als aussichtslos anzusehen ist.[4] Das bedeutet jedoch nur eine – vorübergehende – Einschränkung in der Durchsetzung einer bereits festgesetzten Haftungsschuld. Ausgenommen von dieser Einschränkung, die sich auf die Festsetzung der Haftung selbst nicht bezieht, sind die Abzugssteuern (z. B. LSt-, KapESt-, USt-Abzug) und die Fälle der Steuerhinterziehung, die im Zusammenhang mit § 69 AO nicht selten vorkommen. Bis zum Außerkrafttreten des ZollG mit Ablauf des 31.12.1993 (Inkrafttreten des Zollkodex am 1.1.1994) waren auch wichtige Haftungstatbestände nach dem ZollG von der Einschränkung ausgenommen. Vgl. im Übrigen § 219 AO Rz. 4–6.

2 Haftungsschuldner

 

Rz. 3

Als Haftungsschuldner nach § 69 AO kommen nur die in §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen in Betracht.[1] Haftungsschuldner können also sein:

  • gesetzliche Vertreter natürlicher Personen[2], z. B. Eltern, Vormund, Pfleger, Betreuer,
  • gesetzliche Vertreter juristischer Personen[3], z. B. Vorstand, Geschäftsführer,
  • Geschäftsführer nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen[4],
  • Geschäftsführer nicht rechtsfähiger Vermögensmassen[5],
  • Mitglieder oder Gesellschafter nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen, soweit diese keinen Geschäftsführer haben[6],
  • Personen, denen das Vermögen nicht rechtsfähiger Vermögensmassen zusteht, soweit diese keinen Geschäftsführer haben[7],
  • Vermögensverwalter[8]  , z. B. Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter, Liquidatoren, Zwangsverwalter, Insolvenzverwalter und vorläufige Insolvenzverwalter,
  • Personen, die als Verfügungsberechtigte in eigenem oder fremdem Namen auftreten und sowohl tatsächlich als auch rechtlich die Pflichten des Vertretenen erfüllen können.[9] Das bloße Auftreten eines nur scheinbar Verfügungsberechtigten reicht nicht, wenn dieser die steuerlichen Pflichten schon tatsächlich oder rechtlich nicht erfüllen kann.[10] Umgekehrt ist ein nominell bestellter Geschäftsführer auch dann ein möglicher Haftungsschuldner, wenn er lediglich als Strohmann eingesetzt worden ist.[11]
 

Rz. 4

Rechtsgeschäftlich eingesetzte Vertreter kommen nach dem nunmehr eindeutigen Wortlaut der Vorschrift als Haftungsschuldner nicht ohne Weiteres in Frage, sondern nur, wenn sie in Ausübung ihres Berufs in der Eigenschaft oder Art einer der genannten Personen tätig werden. Das gilt insbesondere für Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe. Bevor gegen diese ein Haftungsbescheid erlassen wird, ist im Übrigen nach § 191 Abs. 2 AO der zuständigen Berufskammer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Wird allerdings ein Fremdgeschäftsführer für eine GbR nicht nur für eine beschränkte Zahl von Geschäften tätig, sondern mit einer umfassenden Aufgabenstellung betraut, so kommt eine Haftung in Betracht.[12]

[1] S. dazu im Einzelnen ...

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