Rz. 12

Die auferlegten Pflichten müssen vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden sein. Abweichend vom Wortlaut des § 109 Abs. 1 RAO, der nur eine schuldhafte Verletzung verlangte, also die leichte Fahrlässigkeit mit einschloss (die Rspr. schränkte die Haftung zeitweise auf die Fälle der groben Fahrlässigkeit ein), erfasst bereits der Wortlaut des § 69 AO die leichte Fahrlässigkeit nicht mehr.

Das Verschulden braucht sich nur auf die Pflichtverletzung, nicht dagegen auch auf ihre Folge (unterbliebene oder nicht rechtzeitige Festsetzung oder Erfüllung) zu beziehen. Führt z. B. ein GmbH-Geschäftsführer LSt vorsätzlich nicht ab, weil er das Bestehen eines USt-Guthabens annimmt, so reicht dieses Verhalten doch für eine Haftung aus.[1] Ähnlich ist es, wenn der GmbH-Geschäftsführer durch Ausnutzung der Schonfrist des § 240 Abs. 3 vorsätzlich seine Pflicht zur rechtzeitigen Zahlung verletzt und eine Zahlung wegen eines unerwarteten Eintritts der Zahlungsunfähigkeit während der Schonfrist unterbleibt.[2] Nach Auffassung des BFH[3] indiziert die Nichtentrichtung der einzubehaltenen LSt zu gesetzlichen Fälligkeitsterminen die Schuldhaftigkeit (grobe Fahrlässigkeiten) der damit verbundenen Pflichtverletzung.

Verschulden ist nicht automatisch mit dem Unterbleiben oder der Verspätung der Festsetzung des Anspruchs bzw. der Erbringung der Leistung zu unterstellen. Es müssen vielmehr hiervon unabhängige Umstände erkennbar sein und ermittelt werden, die die Annahme eines grob schuldhaften Verhaltens tragen.[4] Allerdings indiziert die Nichtentrichtung der einzubehaltenen LSt zum gesetzlichen Fälligkeitstermin die Schuldhaftigkeit der Pflichtverletzung.[5] Ist die Rechtslage hinsichtlich eines Vorgangs zweifelhaft, so scheiden ein Verschulden und eine Haftung nach § 69 grundsätzlich aus.[6] Ein entschuldbarer Rechtsirrtum der verpflichteten Person über die Steuerschuld und damit über die Pflicht schließt sowohl Vorsatz als auch grobe Fahrlässigkeit aus.[7] Zum Verschulden des Geschäftsführers einer in Insolvenz geratenen GmbH s. BFH v. 3.12.2004, VII B 178/04, BFH/NV 2005, 661.

Zum mitwirkenden Verschulden der Finanzbehörde vgl. Rz. 18.

3.2.1 Vorsatz

 

Rz. 13

Vorsatz ist wissentliches und willentliches Verhalten in Kenntnis der Tatsache, dass dieses eine Pflichtwidrigkeit bedeutet. Erkennt der Verpflichtete in seinem Verhalten die Möglichkeit der Pflichtverletzung, nimmt er sie jedoch gleichwohl billigend in Kauf, so ist ein für die Haftung ausreichender bedingter Vorsatz gegeben. Das ist z. B. der Fall, wenn einer von mehreren Verpflichteten ohne Abstimmung mit den anderen die Pflichterfüllung bewusst unterlässt und dabei in Kauf nimmt, dass auch keiner der anderen die Pflicht erfüllt.

Der Vorsatz braucht sich nicht auf die Folge, also den Schaden zu beziehen, sondern darauf, dass die Steuer wegen der vorsätzlichen Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet wird.[1]

[1] FG Rheinland-Pfalz v. 23.10.1979, II 296/76, EFG 1980, 210; a. A. anscheinend Müller, GmbHR 1984, 46.

3.2.2 Grobe Fahrlässigkeit

 

Rz. 14

Grob fahrlässig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in besonders schwerwiegendem Maß außer Acht lässt und deshalb die pflichtwidrige Folge seines Verhaltens nicht vorausgesehen hat (unbewusste Fahrlässigkeit) oder diese Folge als zwar möglich, aber vermeidbar erkannt hat (bewusste Fahrlässigkeit). Welche Sorgfalt geboten ist, richtet sich nicht objektiv nach den Erfordernissen des Rechtsverkehrs[1], sondern ist unter Beachtung subjektiver Gesichtspunkte zu ermitteln (zum Verschuldensbegriff s. auch Erl. zu § 110). Zu berücksichtigen sind hier die persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Haftungsschuldners.[2] U. U. ist auch das Alter des Vertreters oder Verfügungsberechtigten zu berücksichtigen. Zur Vermeidung der Haftung muss sich allerdings ein in steuerlichen Angelegenheiten unerfahrener Vertreter an geeigneter Stelle informieren und erforderlichenfalls befähigte Hilfspersonen einschalten. Zum umgekehrten Fall der Einschaltung von Hilfspersonen vgl. Rz. 16a.

[1] So im Zivilrecht: § 276 Abs. 1 BGB.
[2] Vgl. auch BFH v. 12.6.1964, III 193/61, StRK § 109 RAO R. 21 m. w. N.

3.2.3 Einzelfälle

 

Rz. 15

Für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung kommen alle unter § 34 fallenden steuerlichen Pflichten in Betracht .[1] Allerdings handelt eine verpflichtete Person, wenn sie die eine oder andere dieser steuerlichen Pflichten nicht erfüllt, nicht immer auch vorsätzlich oder grob fahrlässig.

Sind mehrere verpflichtete Personen vorhanden (z. B. mehrere Geschäftsführer oder...

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