Rz. 5

Gemeinnützige Körperschaften müssen ihre Mittel vorbehaltlich des § 62 AO grundsätzlich zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden.[1] Sammelt eine Körperschaft Mittel an, ohne dass die Voraussetzungen zur Rücklagenbildung nach § 62 AO erfüllt sind, liegt an sich ein Verstoß gegen das Gebot der satzungsmäßigen Geschäftsführung vor. § 63 Abs. 4 AO vermeidet in diesen Fällen den Verlust der Steuerbegünstigung dadurch, dass die Finanzverwaltung der Körperschaft eine angemessene Frist für die Verwendung der Mittel setzen kann. Werden die zu Unrecht angesammelten Mittel alsdann fristgerecht – innerhalb der vom FA gesetzten Nachfrist – zur Erfüllung der Satzungszwecke verwendet, gilt die tatsächliche Geschäftsführung als ordnungsgemäß.

Ein gemeinnützigkeitsschädliches Ansammeln von Mitteln liegt vor, wenn die Körperschaft Eigenkapital ansammelt, ohne entsprechende Rücklagen zu bilden. Vom Tatbestand ebenfalls erfasst sind Rücklagen, die nicht den nach § 62 AO vorgegebenen Regeln entsprechen[2] sowie Rücklagen, bei denen die ursprünglich vorliegenden Voraussetzungen nachträglich wegfallen (z. B. Aufgabe der Umsetzung eines Projekts, für das eine Projektrücklage gebildet worden ist).

Das FA hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob eine Fristsetzung unter Berücksichtigung der Umstände der Mittelansammlung noch dem Gebot der Selbstlosigkeit gerecht wird[3] und wie die Frist zu bemessen ist. Im Regelfall ist trotz der Ausgestaltung von Nr. 4 als Ermessensvorschrift davon auszugehen, dass das FA eine Frist für die Nachholung der Mittelverwendung zu setzen hat.[4]

Eine andere Wertung kann sich ergeben, wenn die Körperschaft in der Vergangenheit bereits mehrfach und bewusst gegen die Regelungen der Vermögensbildung verstoßen hat.

Die Frist zur Nachholung der Mittelverwendung muss "angemessen" sein; das FA hat den Zeitraum unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und vor dem Hintergrund, dass der Körperschaft eine sinnvolle Verwendung der angesammelten Mittel möglich sein muss,[5] zu setzen. Im Regelfall wird eine Fristsetzung von wenigen Jahren angemessen sein – die Finanzverwaltung geht von einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren aus.[6]

 

Rz. 6

Die Fristsetzung erfolgt durch Verwaltungsakt. Dieser Verwaltungsakt ist mit dem Einspruch anfechtbar. Im Einspruchsverfahren kann gerügt werden, dass die Voraussetzungen einer Fristsetzung überhaupt nicht vorliegen, die Rücklagenbildung also nicht unzulässig war. Der Einspruch kann aber auch eingelegt werden, um eine längere Frist zu erreichen. Wird die Anwendung des § 63 Abs. 4 AO von der Finanzverwaltung abgelehnt, ist diese Entscheidung nicht isoliert anfechtbar; Rechtsschutz wird durch die Anfechtung des daraufhin erlassenen Steuerbescheides gewährt. In diesem Rahmen ist auch zu überprüfen, ob die Steuerpflicht durch Anwendung des § 63 Abs. 4 AO zu entfallen hat.

[3] Koenig/Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 63 Rz. 12.
[4] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 63 AO Rz. 15; Klein/Gersch, AO, 14. Aufl. 2018, § 63 Rz. 4.
[5] So zutreffend Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 4. Aufl. 2018, Rz. 4.169.

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