Rz. 1

Die tatsächliche Geschäftsführung umfasst alle Handlungen und Tätigkeiten, die der Körperschaft zuzurechnen sind.[1] Die Körperschaft muss ihre tatsächliche Geschäftsführung auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung ihrer in der Satzung bestimmten Zwecke in der satzungsmäßigen Weise richten. Satzung und tatsächliche Geschäftsführung müssen daher übereinstimmen. § 63 AO knüpft an den in § 59 AO geregelten Grundsatz satzungsmäßiger Gemeinnützigkeit an und legt fest, dass der in der Satzung vorgegebene Rahmen der steuerbegünstigten Tätigkeit tatsächlich eingehalten und ausgefüllt werden muss. Sollen andere als die in der Satzung bestimmten Zwecke verfolgt werden, ist eine Satzungsänderung erforderlich. Ohne vorherige Anpassung entspräche die tatsächliche Geschäftsführung ansonsten nicht der Satzung mit der Folge, dass die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung nicht erfüllt wären. Bei einer Mehrzahl von Satzungszwecken müssen grundsätzlich alle von ihnen tatsächlich verfolgt werden. Die tatsächliche Geschäftsführung verlangt eine zeitnahe Verwirklichung der Satzungszwecke[2]; daher ist von der vorsorglichen Aufnahme von Satzungszwecken, bei denen nicht feststeht, ob und wann sie künftig verfolgt werden, abzuraten. Die Körperschaft darf den steuerbegünstigten Zweck nicht endgültig aufgeben; ansonsten läge ein Fall des Zweckwegfalls[3] vor.[4] Es genügt, dass die Geschäftsführung auf die Erfüllung der Satzung gerichtet ist, d. h. eine Tätigkeit in dieser Richtung entfaltet wird; ein Erfolg ist nicht erforderlich. Diese Voraussetzung kann auch dann noch vorliegen, wenn die Körperschaft infolge besonderer, von ihr nicht zu vertretender Umstände längere Zeit an der Erfüllung ihrer steuerbegünstigten Zwecke gehindert wird.[5] In diesem Fall genügt es, dass die Geschäftsführung darauf gerichtet ist, bei Wegfall der außergewöhnlichen Umstände die satzungsmäßigen Zwecke wieder zu verfolgen; das ist aber naturgemäß nur möglich, wenn die Zwecke nicht endgültig unmöglich geworden sind.

 

Rz. 2

Verstöße gegen die sich aus § 63 Abs. 1 AO ergebenden Pflichten können zur Versagung der Steuerbegünstigung führen. Das Gebot satzungsmäßiger Geschäftsführung wird verletzt bei Verstößen gegen gemeinnützigkeitsrechtliche Rahmenbedingungen, vorrangig bei Missachtung der Gebote der Unmittelbarkeit, Selbstlosigkeit und Ausschließlichkeit. Dies kann der Fall sein, wenn eine gemeinnützige Stiftung eine Anlagestrategie verfolgt, die die Tragfähigkeit der eigenen Vermögensbasis unterläuft.[6] Ein Verstoß liegt auch vor, wenn die tatsächliche Tätigkeit der Körperschaft den in der Satzung festgelegten gemeinnützigen Zwecke nicht entspricht. Wer z. B. politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i. S. v. § 52 AO.[7] Das Gebot satzungsmäßiger Geschäftsführung kann darüber hinaus verletzt sein bei zurechenbaren Verstößen gegen die Rechtsordnung. Zurechenbar sind Handlungen, die die Vertretungsorgane der Körperschaft innerhalb ihrer Vertretungsmacht vornehmen. Dasselbe gilt für andere vertretungsberechtigte Personen, die im Rahmen ihrer Vertretungsmacht tätig werden, sowie für Hilfspersonen.[8] Die Zurechenbarkeit des eigenmächtigen Handelns einer für die Körperschaft tätigen Person ist bereits bei grober Vernachlässigung der dem Vertretungsorgan obliegenden Überwachungspflichten gegeben; insoweit kommt auch ein Organisationsverschulden in Betracht.[9]

Grundsätzlich sind gemeinnützige Körperschaften verpflichtet, sich wie jedes Rechtssubjekt an die Rechtsordnung zu halten.[10] Allerdings führt nicht jeder Verstoß gegen die Rechtsordnung zur Versagung der Gemeinnützigkeit. Rechtsfolgen für die Steuerbegünstigung müssen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei Würdigung des Gesamtverhaltens der Körperschaft und der Schwere des Verstoßes beurteilt werden. Eine Versagung der Gemeinnützigkeit setzt voraus, dass Art und Schwere der Pflichtverletzung das Handeln der Körperschaft nicht mehr als ausschließlich auf die Erfüllung gemeinnütziger Zwecke gerichtet erscheinen lassen.

Die verspätete Abgabe von Steuererklärungen rechtfertigt nicht den Entzug der Gemeinnützigkeit, wenn sie nicht zugleich zu einer Steuerhinterziehung führt.[11]

Werden missbräuchlich unrichtige Zuwendungsbestätigungen ausgestellt, führt das im Regelfall zum Verlust der Steuerbegünstigungen, da die widerrechtliche Begünstigung Einzelner zu Lasten der Allgemeinheit gerade nicht das Gemeinwohl fördert.[12]

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